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30 | www.limina-graz.eu rechterhalten werden, weil die alten MÀchte, die religiösen vor allem, aber
auch die alten Ethiken im Kontext des Kapitalismus nicht verschwanden,
sondern in spezifischen Diskursen und vielfÀltigen, etwa kirchlichen,
pĂ€dagogischen und auch militĂ€rischen Dispositiven ĂŒberlebten, ja, wie
etwa die katholische Kirche wÀhrend der Pianischen Epoche, in reaktiver
VerhÀrtung zumindest intern ganz besonders wirkmÀchtig wurden.
Nimmt man nun aber in strukturalistischer Tradition an, dass das Sub-
jekt nicht das letztlich unberĂŒhrte und unschuldige GegenĂŒber der Macht
sei, sondern selbst ein Produkt von Machtprozessen, ja, dass das Konzept
âSubjektâ selbst erst in den modernen (Human-)Wissenschaften entsteht
und sich zeitgleich mit dem modernen Kapitalismus durchsetzt, dann stellt
sich die Lage gÀnzlich anders dar. Das Subjekt jedenfalls, so Foucault, ist
nicht das ganz Andere zur Macht, ist nicht der Ort der reinen AuthentizitÀt
und IdentitÀt, sondern eben etwas, das in spezifischen Machtstrukturen
auftaucht und ĂŒberhaupt erst wird.
FĂŒr Foucault sind die Idee eines autonomen Subjekts oder auch das
Ideal einer Gemeinschaft von autonomen Subjekten illusionÀr. Die Konsti-
tuierung von SubjektivitÀt ist Produkt eines schöpferischen Aktes, der je
nach Machtkonstellationen aus jeweils anderen Quellen schöpft. Foucault
spricht von einer âSerie unterschiedlicher SubjektivitĂ€tenâ (Foucault 1996,
85), die wir sind, die wir jeweils in unseren Machtrelationen aktuell reali-
sieren und deren Summe uns ausmacht. âDiese Serie von SubjektivitĂ€ten
wird niemals an ein Ende kommen und uns niemals vor etwas stellen, das
âder Menschâ wĂ€re.â (Foucault 1996, 85)
In Foucaults Tradition bestimmt Ulrich Bröckling âSubjektivierung als
einen Formungsprozess, bei dem gesellschaftliche Zurichtung und Selbst-
modellierung in eins gehen.â (Bröckling 2007, 31) Zwar gilt:
âDie Genealogie der Subjektivierung lĂ€sst die Unterscheidung von Innen
und AuĂen nicht fallenâ. Aber âstatt Höhlenforschung oder Innenarchi-
tektur der Seele zu betreiben, fragt sie danach, welche Wissensdispositive
und Verfahren Menschen veranlassen konnten und können, ihr Selbst-
verstÀndnis in dieser Weise topografisch zu bestimmen. Sie untersucht,
wie ein Innen sich konstituiert, ohne es immer schon vorauszusetzen.â
Denn das âInnere ist nichts anderes als ein auf sich selbst zurĂŒckgewen-
detes ĂuĂeres â und umgekehrt.â (Bröckling 2007, 34).
Rainer Bucher | Die aktuelle Logik der Welt
Das Subjekt ist nicht das ganz Andere zur Macht, sondern etwas,
das in spezifischen Machtstrukturen auftaucht und ĂŒberhaupt erst wird.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 1:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 1:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 236
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven