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32 | www.limina-graz.eu greifende und folgenreiche âSequenzialisierung der Arbeit (und letztlich
des gesamten Lebens) in zeitlich befristete Vorhabenâ, diese fundamentale
Projektorientierung verlangt âdem unternehmerischen Selbst ein Höchst-
maĂ an FlexibilitĂ€tâ ab, inklusive eines spezifischen âModus der Koopera-
tionâ in âProjektteamsâ (Bröckling 2007, 17). Das reicht weit und schreibt
sich tief ein.
In Projekten zu denken beendet traditionelles, rollengesteuertes Handeln,
gibt dem Handeln einen befristeten Zeithorizont und stellt es unter den
Anspruch der (eigenen) Planung und Gestaltung. Die klassischen Projekt-
Phasen âProjektdefinitionâ, âProjektplanungâ, âProjektdurchfĂŒhrungâ
und âProjektabschlussâ sind nichts anderes als die konzeptionelle Ope-
rationalisierung der typisch modernen Annahme, dass die Zukunft das
Ergebnis des eigenen Handelns sein wird. Andererseits markieren Projekte
aber auch die ausgesprochen anstrengende Verpflichtung, die Zukunft zum
Problem zu machen, in ihr ein Ziel zu definieren und das eigene Handeln an
den Schritten der Zielerreichung auszurichten.
Das Denken in âProjektenâ setzt voraus, das eigene Wollen als entschei-
dend fĂŒr ZukĂŒnftiges zu bestimmen. Genau das hatte etwa vormodernes
religiöses Denken nicht getan. Denn das ZukĂŒnftige wurde in ihm besten-
falls als die modifizierte Fortsetzung des immer schon GĂŒltigen und auch
ewig Bleibenden gedacht, war VerlÀngerung einer ursprungslegitimierten
Vergangenheit, nicht Gegenstand zukunftsorientierten strategischen Han-
delns des Menschen. Die Zukunft stand unter der Herrschaft der Vergan-
genheit und ihres Ursprungs in Gott, zu dem sie zurĂŒckkehren wĂŒrde. Die
klassische Moderne kehrte dies um: Sie stellte die Gegenwart unter die
Herrschaft der Zukunft, einer utopischen, besseren Zukunft. Sie wurde mo-
dellierbar und gestaltbar, wurde zur Aufgabe, zum Entwurf â zum Projekt.
Alles wird zum Projekt: Es ist die Form, âdie Wirklichkeit zu organisieren
â ein RationalitĂ€tsschema, ein BĂŒndel von Technologien, schlieĂlich ein
Modus des VerhĂ€ltnisses zu sich selbst.â (Bröckling 2007, 251) Das aber
bedeutet: âDie Form âProjektâ ist ein historisches Apriori unseres Selbst-
verstĂ€ndnisses, eine Folie, auf die wir uns â im Guten wie im Schlechten
â selbst begreifen und modellieren.â (Bröckling 2007, 282)
Doch um die diversen Projekte des privaten (Partnerschaft, Kind, Urlaub)
wie des beruflichen Lebens zu meistern, um also das Leben als Projekt
zu gestalten, braucht es spezifische SchlĂŒsselqualifikationen, zualler-
erst KreativitÀt und Empowerment. WÀhrend GenialitÀt im romantischen
Ideal noch wenigen vorbehalten war, ist KreativitĂ€t eine âJedermanns-
ressourceâ (Bröckling 2007, 161): âDas Attribut âkreativâ adelt noch die
Rainer Bucher | Die aktuelle Logik der Welt
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 1:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 1:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 236
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven