Page - 37 - in Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 1:1
Image of the Page - 37 -
Text of the Page - 37 -
37 | www.limina-graz.eu sind effizienter, flexibler, anschaulicher, adressatenorientierter, liqui
der
als jene der Kirchen. Sie sind auch nicht traditionsbehindert.
Der Kapitalismus ist, wie sein zentrales Medium, das Geld, die anti-essen-
tialistische Formation überhaupt. Schon Georg Simmel hatte in seiner Phi-
losophie des Geldes 1900 zur Rolle des Geldes im Kapitalismus festgehalten:
„Indem sein Wert als Mittel steigt, steigt sein Wert als Mittel, und zwar
so hoch, daß es als Wert schlechthin gilt und das Zweckbewußtsein an
ihm definitiv haltmacht. Die innere Polarität im Wesen des Geldes: das
absolute Mittel zu sein und eben dadurch psychologisch für die meisten
Menschen zum absoluten Zweck zu werden, macht es in eigentümlicher
Weise zu einem Sinnbild, in dem die großen Regulative des praktischen
Lebens gleichsam erstarrt sind.“ (Simmel 1977, 234)
Für Simmel folgen aus diesem anti-essentialistischen Radikalrelativismus
Entgrenzung, Quantifizierung, Entsubstantialisierung und Rationalisie-
rung.
Auf der Basis dieser Überlegungen kann der Begriff des kulturell hegemo-
nialen Kapitalismus präzisiert werden. Der Begriff kulturelle Hegemonie
wurde bekanntlich von Antonio Gramsci geprägt. Bei ihm besitzt dieser
Begriff in marxistischer Tradition eine stark normative, anti-kapitalis-
tische Stoßrichtung. Er bezeichnet bei Gramsci jenen vorherrschenden
gesellschaftlichen Konsens, den die kapitalistische Klasse über diverse
zivilgesellschaftliche Institutionen wie das Bildungssystem, die Künste,
die Kirchen, die Medien, auch das Erziehungssystem herstellt, um seine
Herrschaft als legitime, ja als einzig wirklich mögliche zu plausibilisieren.
Ernesto Laclau und Chantal Mouffe kritisieren daran zu Recht spezifische
„essentialistische Elemente“ (Laclau/Mouffe 2015, 175), so das Festhalten
am Klassenbegriff als Identifikation der hegemonialen (und anti-hege-
monialen) Akteure und auch die damit unmittelbar verbundene Annahme,
„dass […] jede Gesellschaftsformation sich um ein einfaches hegemoniales
Zentrum herum strukturiert.“ (Laclau/Mouffe 2015, 175)
Ihre poststrukturalistische Überarbeitung und Radikalisierung von Gram-
scis Hegemonietheorie löst diesen Essentialismus auf und besteht darauf,
dass „das Soziale […] ein unendlicher Raum ist, der auf kein ihm zugrunde-
liegendes einheitliches Prinzip reduziert werden kann“ ((Laclau/Mouffe
2015, 177). Und Laclau/Mouffe bestehen auch darauf, dass eine
„hegemoniale Formation […] auch das [umfasst], was sich ihr entge-
gensetzt, insofern die entgegengesetzte Kraft das System der grund-
Rainer Bucher | Die aktuelle Logik der Welt
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 1:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 1:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 236
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven