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49 | www.limina-graz.eu 1. Rituelle Dynamiken am Beginn des 21. Jahrhunderts
Die Welt der Rituale und rituellen Praktiken hat sich innerhalb der letzten
Jahrzehnte in den westlichen Gesellschaften spĂŒrbar verĂ€ndert. Mit guten
GrĂŒnden wird von signifikanten Transformationen ritueller Praxis gespro-
chen. Dies gilt sowohl fĂŒr religiöse Ritualtraditionen in unterschiedlichen
Religionsgemeinschaften als auch fĂŒr rituelle Praktiken auĂerhalb insti-
tutionalisierter Religion; und es gilt fĂŒr individuelle, gruppenspezifische
und kollektive rituelle Handlungsformen. Die auslösenden Momente, die
Motive und die Faktoren fĂŒr diese Transformationen sind vielfĂ€ltig. Sie
sind zu einem Teil auf emanzipatorische Prozesse der Freisetzung des Sub-
jekts aus familiÀren, gesellschaftlichen oder religiösen Bevormundungen
zurĂŒckzufĂŒhren. Zu einem anderen Teil stehen sie unter dem Einfluss von
modernen und spÀtmodernen Faktoren gesellschaftlicher, politischer und
ökonomischer Dynamiken. Eine dritte Einfluss-SphÀre bildet die durch
global vernetzte Technologien und Neue Medien revolutionierte Kommu-
nikationskultur. Und schlieĂlich bieten neue Symboliken geglĂŒckten Le-
bens Anreize zur EinĂŒbung und Ăbernahme der damit verbundenen Anfor-
derungen bzw. Verhaltensprogramme.
Um der Frage nach Macht und Ohnmacht gegenwÀrtiger ritueller Hand-
lungskomplexe auf die Spur zu kommen, sind sowohl die emanzipato-
rischen als auch die hegemonialen Momente ihrer aktuellen Ausgestaltun-
gen und Transformationen zu berĂŒcksichtigen. Das soll in diesem Beitrag
anhand einzelner exemplarischer Beobachtungen sowohl in religiösen als
auch in sÀkularen Kontexten geschehen, und zwar aus (religions-)soziolo-
gischer und theologischer Perspektive.
Die leitenden Fragen fĂŒr die folgenden Analysen lauten: Inwiefern geht
rituelle Praxis gegenwÀrtig mit Momenten emanzipatorischer, aber auch
manipulativer und hegemonialer BemÀchtigung einher? In welchem Ver-
hÀltnis stehen diese Momente zueinander? Vereinen oder vermischen
sich darin Formen der Selbst-ErmÀchtigung und der Selbst-Unterwer-
fung? Wird rituelle Praxis weiterhin oder vielleicht sogar stÀrker denn je
als Machtfaktor sowohl im Hinblick auf die individuelle Lebensauffassung
und Lebensgestaltung als auch im Hinblick auf die sozialen und kulturel-
len Ordnungen ganzer Gesellschaften eingesetzt? Oder manifestiert sich
Peter Ebenbauer und Isabelle Jonveaux | Zwischen SelbstermÀchtigung und Unterwerfung
Wird rituelle Praxis vielleicht sogar stÀrker denn je
als Machtfaktor eingesetzt?
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 1:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 1:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 236
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven