Page - 52 - in Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 1:1
Image of the Page - 52 -
Text of the Page - 52 -
52 | www.limina-graz.eu können aber auch weltweit vernetzt sein, bis hin zu medial gesteuerten
Ritualisierungen, etwa über global agierende social media-Plattformen. Die
Frage nach den machtförmigen Intentionen und Implikationen rituellen
Handelns ist deshalb nicht weniger brisant als in traditionellen religiösen
oder institutionellen Zusammenhängen.
2. Ambivalenzen ritueller Praxis in religiösen und säkularen Kontexten
Es ist also damit zu rechnen, dass ritualisiertes Handeln auch in eman-
zipatorisch fortgeschrittenen modernen Verhältnissen zwischen Selbst-
ermächtigung, hegemonialer Vereinnahmung und Manipulation angesie-
delt ist. Dafür sollen nun jeweils konkrete Beispiele ritueller Entwicklungs-
dynamik sowohl innerhalb religiöser bzw. kirchlicher Kontexte als auch im
Feld säkularer Praxis betrachtet werden.
a) Aus dem kirchlich-religiösen Handlungsfeld: die Taufe
Das Sakrament der Taufe, klassisch als das Initiationsritual zur Eingliede-
rung in die kirchliche Glaubensgemeinschaft bekannt, unterliegt in west-
li chen Gesellschaften seit geraumer Zeit einem Veränderungspro zess im
Hinblick auf die Motivationslagen und Erwartungshaltungen derer, die
dieses Sakrament in Anspruch nehmen bzw. feiern möchten. Wenn sich
auch in der normativen und inhaltlichen Grundlegung auf kirchlich-insti-
tu tioneller Seite in den letzten Jahrzehnten nur wenig verändert hat, so
verändert sich dennoch der pragmatische, der symbolische wie auch der
performative Geschehenssinn vor allem auf Seiten der konkreten Feier -
gemeinschaften in signifikanter Weise (Först/Kügler 2010).
Im Wesent
lichen sind zwei unterschiedliche Erfahrungs- und Deutungs-
linien unterscheidbar: Die eine Linie ist repräsentiert durch das Phäno-
men der bewusst intendierten Übernahme christlicher Glaubenspra-
xis und -symbolik durch den Akt einer Bekehrung oder Hinwendung zu
einer bestimmten kirch lichen Gemeinschaft. Dieser Prozess mündet in
die Taufe, welche auf dieser Linie die existentielle Glaubensentscheidung
in Gestalt der rituellen Eingliederung in die Kirche ratifiziert. Diese Linie
wird in den Kirchen im Wesentlichen durch die sogenannte Erwachsenen- oder
Gläubi gentaufe repräsentiert, deren zentrales Kennzeichen eben die eigene
und höchst persönliche Bekehrung und Glaubensentscheidung der Taufkandi-
datInnen ist.
Peter Ebenbauer und Isabelle Jonveaux | Zwischen Selbstermächtigung und Unterwerfung
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 1:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 1:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 236
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven