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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 1:1
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Page - 59 - in Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 1:1

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59 | www.limina-graz.eu Das Profil der TeilnehmerInnen von Fastenwochen zeigt, dass sie häufig eine Lebenskrise erlebt haben: Scheidung, Todesfall in der Familie, schwere Krankheit. Franz Höllinger und Thomas Tripold beobachten ein ähnliches Profil für die Nutzer und Anbieter von holistischen Praktiken in der Steier- mark, wonach die Krise eine wichtige Rolle in der „holistischen Karriere“ spielt (Höllinger, Tripold 2012, 148). Könnte dies bedeuten, dass das Bedürfnis nach Reinigung mit der Bewäl- tigung einer Krise zu tun hat? Es scheint, als hätten diese Reinigungs- rituale die Funktion von religiösen bzw. kirchlichen Versöhnungsritualen übernommen. Zudem gibt es in den Kirchen keine anerkannten Rituale der Wiedereingliederung in die Gemeinschaft wie in anderen Religionen, was sich in unseren gegenwärtigen Kontexten z.  B. für wiederverheiratete Geschiedene als problematisch erweist. Die Suche nach Reinigungsritua- len scheint also auch zu zeigen, dass die institutionelle Religion es nicht schafft, auf dieses Bedürfnis zu antworten. Dies mag mit ein Grund dafür sein, dass solche Rituale in der säkularen Gesellschaft reichlich angeboten und praktiziert werden. Das Ritual selbst hilft dem Individuum, eine Struktur für sein Leben zu bauen. Der Verlust der Ritualisierung des alltäglichen Lebens und der or- ganischen Funktionen des Lebens ist laut Mircea Eliade ein Kennzeichen der Moderne (Eliade 1964, 34). Die einfachen Rituale des alltäglichen Le- bens, z.  B. beim Essen, gehen in der zunehmenden Destrukturierung des Alltags und der Mahlzeiten verloren (Fischler 2013, 16-18): Für die Mahlzeit ist nicht mehr unbedingt eine speziell gewidmete Zeit vorgesehen, sondern sie kann beim Arbeiten, Gehen oder Fahren geschehen. Viele Familien es- sen nicht mehr gemeinsam, die unterschiedlichen Gänge einer Mahlzeit sind reduziert. Mit der Vermehrung der individuellen Diäten stellt sich auch die Frage, ob wir in Zukunft überhaupt noch zusammen essen werden (Fischler 2013, 30). Die Fastenwochen weisen genauso wie die Wochen im Kloster auf die Suche nach einer Ritualisierung des Lebens hin. Bei einer Fastenwoche wird eine strenge Struktur der Mahlzeiten aufrecht erhalten. Obwohl man eigentlich nicht isst, sitzt man bei Tisch zusammen. Eine Frau, die allein während ihres Urlaubs fastet, sagt, dass sie sich selber Rituale beim Essen vor nimmt, z.  B. mit Kerzen. „Ich mache auch meine Rituale beim Essen mit Kerze und so. Wirklich schön decken und so. Egal, was ich jetzt esse oder meinen Saft Peter Ebenbauer und Isabelle Jonveaux | Zwischen Selbstermächtigung und Unterwerfung Das Ritual hilft dem Individuum, eine Struktur für sein Leben zu bauen.
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Volume 1:1
Title
Limina
Subtitle
Grazer theologische Perspektiven
Volume
1:1
Editor
Karl Franzens University Graz
Date
2018
Language
German
License
CC BY-NC 4.0
Size
21.4 x 30.1 cm
Pages
236
Categories
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