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75 | www.limina-graz.eu der LXX gemÀà einer auf Israel gerichteten Interpretationslinie: âunter den
MĂ€chtigen der Völkerâ) und (ihn) einen Ehrenthron erben zu lassenâ (im
MT schöpfungstheologisch fundiert9), wird deutlich, dass im Blickpunkt
primĂ€r die Option fĂŒr die Armen und Unterprivilegierten steht (vgl. auch Ps
146,7â9). In V. 9 bewahrt die Gottheit die â entsprechend der Sinnlinien des
Textes ohnmĂ€chtigen â Frommen, wĂ€hrend sie die â (scheinbar) mĂ€chti-
gen â ĂbeltĂ€ter umkommen lĂ€sst (zum Gegensatzpaar vgl. Ps 37,28, wo
JHWH, der das Recht liebt, seine Frommen nicht verlÀsst); in der milderen
LXX-Version erfĂŒllt Gott Betenden das Gebet â vgl. Hannas Geschichte in
1 Sam 1.11.17.26â27 oder unten Jdt â und segnet die Jahre der Gerechten. In
feierlicher, indikativischer Gewissheit schlagen sich im Lied die Hoffnun-
gen der Entrechteten und UnterdrĂŒckten nieder, dass JHWH ihnen zu Ge-
rechtigkeit verhilft. Daran schlieĂt sich â mit war
nendem Unterton â die
Feststellung: âDenn nicht durch Kraft ist ein Mann starkâ.
Es folgt in V. 10 ein Gerichtsbild (in der LXX futurisch formuliert). Unter
Gottes machtvollem Donner, Zeichen der Theophanie, zerbricht sein Geg-
ner wie zuvor der Kriegsbogen (wie schon in V. 4 wird in der LXX JHWH/
Îș᜻ÏÎčÎżÏ seinen Widersacher âschwachâ bzw. âkraftlos machenâ, siehe auch
dasselbe Verb bei der Kinderreichen).
Am Ende richtet sich der Blick auf den König (in der LXX ist in rĂŒck-
blickender Perspektive von âunseren Königenâ im Plural die Rede), dem
JHWH Kraft geben möge, seinen âGesalbtenâ (siehe die von Samuel spĂ€ ter
referier ten Königssalbungen). Das rahmende Motiv des âerhöhten Hornsâ
(analog in Ps 75,5â6.11; die aus der Tierwelt entnommene Metapher steht
fĂŒr Kraft und Macht, versinnbildlicht im stolzen Erheben des Hauptes;
vgl. Dietrich 2011, 71.82) schlieĂt den Kreis zur Erfahrung der Hilfe Gottes
durch die Sprecherin (V. 1; nur hier wird die Metapher auf eine Frau ange-
wandt).
Im literarischen Kontext der SamuelbĂŒcher, die von der EinfĂŒhrung des
Königtums erzĂ€hlen, fungiert Hannas Lied, einer OuvertĂŒre vergleichbar,
als proleptischer Kommentar, der vorab das VerhÀltnis der Könige und
MÀchtigen zu Gott als alleinigem TrÀger wahrer Macht beleuchtet. Da-
her betont auch die LXX, die den Schlussvers noch weiter ausfaltet, dass
sich âder VerstĂ€ndige/MĂ€chtige/Reiche nicht in seinem Verstand/seiner
Macht/seinem Reichtum rĂŒhmen sollâ, sondern definiert als verantwor-
Andrea Taschl-Erber | Die Macht der OhnmÀchtigen
9 Zu den âSĂ€ulen der Erdeâ vgl.
Ps 75,4. Hannas Lied beleuchtet das VerhÀltnis der MÀchtigen
zu Gott als alleinigem TrÀger wahrer Macht.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 1:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 1:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 236
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven