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78 | www.limina-graz.eu (1Â Sam 17; dazu bes. Esler 2001, 78â91), sowie mit dem Gottesboten in
2 Kön 19,35 = Jes 37,36; 2 Chr 32,21 (in 1 Makk 7,41â42; 2 Makk 15,22â23
aktua lisiert in Bezug auf den seleukidischen General Nikanor).
Der Grundkonflikt im Juditbuch besteht darin, wer als der wahre âgroĂe
Königâ und âHerr der ganzen Erdeâ (diese göttlichen Titel nimmt Nabu-
chodonosor in Jdt 2,5; 6,4 in Anspruch; vgl. demgegenĂŒber Ex 8,18 LXX;
Jos 3,11.13; Ps 47â48; 97,5â9; Mi 4,13; Sach 4,14; Mal 1,14) bzw. als einziger
Gott zu verehren sei â so die Hybris des auf militĂ€rische Machtdemonstra-
tion angewiesenen Gewaltherrschers (bzw. seines ReprÀsentanten) in Jdt
3,8 (vgl. 6,2), die auf hellenistische Monarchen deutet. âHerrâ (Îș᜻ÏÎčÎżÏ, in
der LXX fĂŒr das Tetragramm JHWH) verweist auf den Namen des Gottes
Israels, woran Judit im Gebet vor ihrer Tat erinnert (9,7â8 in Aufnahme
von Ex 15,3 LXX).
Ausgetragen wird die im ErzÀhlhintergrund stattfindende Auseinander-
setzung zwischen dem irdischen König, der auf der WeltbĂŒhne des ge-
samten Vorderen Orients seinen Anspruch auf die totale Herrschaft mit
brutaler Kriegsmacht verfolgt, und dem Gott Israels vordergrĂŒndig durch
Nabuchodonosors Oberbefehlshaber Holofernes (ein persischer Name, vgl.
Schmitz/Engel 2014, 51) und die gottesfĂŒrchtige (8,8; 11,17) Witwe Judit,
deren ausfĂŒhrliche Genealogie (8,1: bis zum Urahn Israel) und program-
matischer Name (âJĂŒdinâ) sie als Personifikation jĂŒdischer IdentitĂ€t er-
weisen (Zenger 2004, 847; vgl. auĂerdem etwa âTochter Zion/Jerusalemâ
in 2 Kön 19,21 = Jes 37,22 im GegenĂŒber zu Sanherib). Die durch diese beiden
Figuren verkörperte Macht und Gegenmacht werden im Juditbuch aufein-
ander folgend prÀsentiert. Denn erst in der zweiten HÀlfte der ErzÀhlung,
am Höhepunkt der BedrÀngnis, als das belagerte Betulia aufgrund von
Wassermangel beinahe seinen Widerstand aufgibt, erscheint Judit auf der
ErzĂ€hlbĂŒhne (Jdt 8â16). Gleichsam als schriftgelehrte Theologin mahnt sie
die Ăltesten in einer âweisheitlichen Lehrredeâ (Ego 2016, 22),16 anstatt
Gott, den AllmĂ€chtigen, dessen Absichten unergrĂŒndlich seien, mit einem
Ultimatum (siehe Jdt 7,30â31) auf die Probe zu stellen, vielmehr aufgrund
der vergangenen Rettungserfahrungen auf seinen Beistand in der gegen-
wĂ€rtigen PrĂŒfung zu vertrauen: âWir aber kennen keinen Gott auĂer ihm
(vgl. Ex 20,3 LXX; auĂerdem etwa Hannas Bekenntnis in 1 Sam 2,2), daher
hoffen wir, dass er uns nicht unbeachtet lassen wirdâ (Jdt 8,20; vgl. 9,14).
Sie beschrÀnkt sich jedoch nicht auf Warten und Beten (von ihr in 8,17
empfohlen), sondern kontert die an sie als âfromme Frauâ herangetragene
Erwartung, um Regen zu beten (8,31), indem sie sich selbst als Werkzeug
der Hilfe Gottes (8,32: âdurch meine Handâ) prĂ€sentiert.
Andrea Taschl-Erber | Die Macht der OhnmÀchtigen
16 AusfĂŒhrlich dazu Schmitz 2004,
151â222; zu Judit als Weisheitsleh-
rerin vgl. auch Fischer 2006, 93â96.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 1:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 1:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 236
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven