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81 | www.limina-graz.eu Geschichte wirksam“ (Schmitz 2006, 12), wie das Leitmotiv der „Hand“
(Jdt 8,33; 9,9–10; 12,4; 13,4.14–15; 15,10; 16,5; dazu Ego 2016, 22–27) zum
Ausdruck bringt. „Die bedrohte Gegenwart wird so zum Offenbarungsort
der rettenden Gottesanwesenheit“ (Schmitz 2006, 12). Wie Erich Zenger
formuliert,
„will Jdt dazu anstoßen, sich auf die urbiblische Verheißung des retten-
den Gottes gerade angesichts ihrer Infragestellung durch ge
schichtliche
Gegenerfahrungen und Weltmachtideologien einzulassen. Der Versu-
chung, angesichts der leidvollen Geschichte das Gott-Sein Gottes auf-
zugeben, setzt Jdt die Erinnerung anderer Erfahrungen entgegen, an
denen die verheißende Kraft der biblischen Gott-Rede aufgeschienen ist
und aufscheint.“ (Zenger 2004, 836)
Das Juditbuch reiht sich – wie 1 Sam 2 – in eine kriegskritische Traditions-
linie22 ein und tritt im „Dialog mit der Textwelt der Septuaginta“ auch „in
ein Streitgespräch etwa mit den Makkabäerbüchern ein, wenn es um die
Frage geht, wie Widerstand zu denken ist“ (Rakel 2003, 1.12). Dennoch ver-
zichtet Jdt nicht völlig auf Gewalt: Wie wird diese legitimiert – und gleich-
zeitig eingeschränkt?
Im Wehwort an die sich gegen Israel erhebenden Völker, das Judits Danklied
abschließt (16,17), ist – in prophetischer Tradition – von der Strafe (verbal
ausgedrückt durch ἐκδικέω) des allmächtigen Gottes „am Tag des Ge
richts“
(ἐν ἡμέρᾳ κρίσεως) die Rede (siehe auch das Gerichts
motiv in
1
Sam 2,10).
Bereits in 8,35 wünschen die Ältesten der zur Tat Entschlossenen Gottes
Beistand für die „Bestrafung (ἐκδίκησις, vgl. etwa Ex 7,4; 12,12 LXX) unse
rer
Feinde“. Am Anfang ihres Gebets erinnert Judit an in der Geschichte voll-
zogene – göttlich autorisierte – Vergeltung (9,2: ἐκδίκησις) des Verstoßes
gegen den Gotteswillen – als Deutung der Rächung der vergewaltigten Dina
in Gen 34; von „Befleckung“ (vgl. Gen 34,5.13.27 LXX; ferner Jdt 13,16) und
„Entweihung“ ist im AT insbesondere auch im Zusammenhang mit dem
Heiligtum die Rede (siehe etwa die Anordnung des Antiochus IV Epiphanes
in 1 Makk 1,45–46 oder Dan 11,31), diese Verbindung stellt eben
so Jdt 9,8
her. Dass Gott ihrem Stammvater Simeon ein Schwert in die Hand gab „zur
Bestrafung der Andersstämmigen“ (Schmitz/Engel 2014, 268.276), lässt
schon die nachfolgenden Ereignisse durchscheinen.23 Zudem rekurriert Ju-
dit auf das schon beschlossene göttliche Gericht (κρίσις, 9,6), um die Ge-
Andrea Taschl-Erber | Die Macht der Ohnmächtigen
22 Vgl. neben den bereits genannten
Stellen u.a. auch Jes 2,4 = Mi 4,3;
dazu z. B. Fischer 2008.
23 Siehe zunächst die Wiederauf-
nahmen von V. 2–3 in V. 8–10, aber
auch im weiteren Erzählverlauf; zum
„Lager“ in 9,3 beispielsweise vgl.
13,9; zur damit verknüpften wech-
selseitigen trügerischen Verfüh-
rung/ἀπάτη bzw. verbal ἀπατάω vgl.
12,16/13,16; außerdem 9,10.13; 16,8.
Wie wird Gewalt im Juditbuch verhandelt?
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 1:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 1:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 236
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven