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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 1:1
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Page - 83 - in Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 1:1

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83 | www.limina-graz.eu Das Magnificat (Lk 1,46–55): Gottes treues Erbarmen Angesichts ihrer Rezeptionsgeschichte erscheint es vielleicht irritierend, Maria, die Mutter Jesu, in einer Reihe mit biblischen Prophetinnen und Widerstandskämpferinnen zu verorten – und doch knüpft im Eröffnungs- kapitel des Lukasevangeliums das Porträt der „Gesegneten unter den Frauen“ (Lk 1,42; vgl. Jaël und Judit in Ri 5,24; Jdt 13,18) an entsprechende ersttestamentliche Traditionen an. Bereits ihr programmatischer Name ruft etwa auch Mirjam, die Prophetin des Exodus, in Erinnerung und lässt „die Hoffnung auf einen neuen Exodus“ mitschwingen (Schiffner 2008, 277; zu dieser Interfiguralität vgl. 259–296). Zudem finden sich in der Ge- burtsankündigung von Lk 1,26–38 – über die Geschlechtergrenzen hinweg – Elemente von Berufungserzählungen (vgl. z.  B. Ri 6: Gideon; Ex 3: Mose; Jer 1: Jeremia).27 Das Maria in den Mund gelegte Magnificat (so benannt nach der lateini- schen Übersetzung des Anfangs: „Meine Seele macht groß [μεγαλύνει] = preist den Herrn“) in Lk 1,46–55, das mit der „Erhöhung“ der „Niederen“ oder vielmehr „Erniedrigten“ (ταπεινοί) einen Topos ersttestament- licher Armentheologie aufgreift, schreibt die Lieder von Hanna28 und Judit im Kontext sozialen, ökonomischen und politischen Drucks während der römischen Besatzung fort – in die Reihe der feindlichen Großmächte tritt im lukanischen Kontext Rom. Noch vor Jesu Antrittsrede in Lk 4,18–19 wird in der Ouvertüre, die wesentliche Linien der messianischen Bewegung pro- grammatisch vorwegnimmt, das Evangelium der Armen verkündet – aus der Perspektive (gerade) auch von Frauen.29 Wie Hannas Lied setzt das Magnificat mit dem Jubel der Sprecherin über Gott als ihren Retter/σωτήρ ein (Lk 1,46–47; vgl. 1 Sam 2,1; ferner etwa Hab 3,18).30 Die Begründung „denn er hat auf die Erniedrigung seiner Sklavin geschaut“ (Lk 1,48) verweist auf Hannas Gebet in 1 Sam 1,11 (beinahe wort- gleich in der LXX) und nimmt zugleich auch die hier eingespielte Exodus- Motivik auf. Deren befreiende Kraft ging freilich in einer auf die Unter- ordnung von Frauen zielenden Rezeptionsgeschichte, die hier primär die vorbildliche demütige Haltung („Niedrigkeit“) der – allen Frauen vor Augen gestellten – „Magd des Herrn“ ortete, verloren. In einem klassischen Beispiel für einen Genderbias in Form differierender ge- Andrea Taschl-Erber | Die Macht der Ohnmächtigen Das Magnificat schreibt die Lieder von Hanna und Judit im Kontext der römischen Besatzung fort. 27 Dazu Wyler 1996; Schiffner 2008, 281–285; Rusam 2003, 46–47. 28 Vgl. auch Fischer 2011. 29 Auf der Erzählebene etwa auch von Elisabet: dazu Janssen/Lamb 1998, 519; Janssen 1999. 30 Zum intertextuellen Netzwerk vielfältiger ersttestamentlicher Bezüge siehe Mittmann-Richert 1996, 8–21; Rusam 2003, 65–69; Schiffner 2008, 233–236.287–290.
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Volume 1:1
Title
Limina
Subtitle
Grazer theologische Perspektiven
Volume
1:1
Editor
Karl Franzens University Graz
Date
2018
Language
German
License
CC BY-NC 4.0
Size
21.4 x 30.1 cm
Pages
236
Categories
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