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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 1:1
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85 | www.limina-graz.eu Unter den Handlungen der Gottheit, die ihr treues Erbarmen explizieren, nimmt die Erhöhung der Erniedrigten (Lk 1,52: ὕψωσεν ταπεινούς; vgl. 1  Sam 2,7 LXX: ταπεινοῖ καὶ ἀνυψοῖ; außerdem z.  B. Ijob 5,11) eine zentrale Position ein (vgl. Lohfink 1990, 16). Über deren Teilhabe an den Ehrensit- zen (1 Sam 2,8) hinaus stürzt Gott explizit „Mächtige von den Thronen“ (in Sir 10,14 die Throne), womit die radikale Umkehr der Machtverhält- nisse noch drastischer artikuliert wird (siehe aber die reziproken Formu- lierungen in 1 Sam 2,6–7). Analog zu ihrem ersttestamentlichen Vorbild stellt die Sprecherin, welche die Erfahrungen und Hoffnungen der Ernied- rigten verkörpert (vgl. Lk 1,48), des Weiteren den Hungernden, die Gott „mit Gutem anfüllt“ (vgl. Ps 106,9 LXX [= 107,9]), die Reichen, die „leer weggeschickt“ werden, gegenüber (V. 53; vgl. 1 Sam 2,5.7; ferner etwa Ps 34,11). Der sozialkritische Impetus scheint hier gegenüber Hannas Lied, das gegenüber menschlicher Hybris (zu 1 Sam 2,3 vgl. wiederum Lk 1,51; dazu auch Sir 10,12) Gottes Macht und die Fragilität sozialer Positionen her ausstreicht, noch verstärkt. Die durchgängigen Aorist-Indikative für Gottes überzeitliches Befreiungs- handeln schlagen eine Brücke von der erinnerten biblischen Überlieferung zur prophetisch vorweggenommenen end-gültig einsetzenden Erfüllung der Hoffnungen. In lukanischer Perspektive ist mit der Geburt des Messias „die Not Israels, die Not der Armen definitiv beendet“ (Schottroff 1978, 301). Dabei steht die Geburt des Frieden bringenden Retters in Armut (Lk 2,10– 14) durchaus im Kontrast zur gängigen Herrscherideologie, insbesondere der kaiserzeitlichen Propaganda der römischen Kolonialmacht (vgl. etwa die Inschrift von Priene mit dem „Evangelium“ des Geburtstages von Kai- ser Augustus als σωτήρ), wie auch die Fortsetzung der Jesusgeschichte im gekreuzigten Messias einen provokanten Gegenentwurf zu herkömm- lichen Macht- und Herrschaftsdiskursen bietet (Taschl-Erber 2014, 168). Im Widerstand gegen sozio-ökonomische und politische Unterdrü ckung setzt das Magnificat wie seine ersttestamentlichen Vorbilder nicht auf militärische Gewalt, sondern auf die Macht der rettenden Gottheit, die in treuem Erbarmen auf die Not der Entrechteten hinsieht und ihnen so Stärke verleiht. Die von einer Frauengestalt im Protest gegen die herrschen- den Verhältnisse verkündete prophetisch-visionäre Utopie eröffnet einen Hoffnungsraum von Gerechtigkeit (etwa wenn in einer von Barmherzig- Andrea Taschl-Erber | Die Macht der Ohnmächtigen Die von einer Frauengestalt verkündete prophetisch-visionäre Utopie eröffnet einen Hoffnungsraum von Gerechtigkeit mit subversivem Potential.
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Volume 1:1
Title
Limina
Subtitle
Grazer theologische Perspektiven
Volume
1:1
Editor
Karl Franzens University Graz
Date
2018
Language
German
License
CC BY-NC 4.0
Size
21.4 x 30.1 cm
Pages
236
Categories
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