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98 | www.limina-graz.eu vasive, and long-lasting moods and motivations in men“ (Geertz 1973, 90)
ausbildet, wie Clifford Geertz schreibt.
Aufgrund der kausalen Verwobenheit der Dynamiken von Religion im Kon-
flikt ist fĂĽr eine systematische Darstellung, welche zum einen die ontolo-
gische Vielgestaltigkeit des Phänomens Religion bewahrt und zum anderen
nicht Gefahr läuft, untergründige Dynamiken zu verdecken, ein Orientie-
ren an den verschiedenen ontologischen Dimensionen von Religion ratsam.
Im Folgenden werden nun vier verschiedene Dimensionen von Religion im
Konflikt eingefĂĽhrt und anhand unterschiedlicher Beispiele aus dem Na-
hen Osten und Nordafrika eingehender beschrieben.
Mehrere Dimensionen von Religion im Konflikt
Religion in ihrer Dimension als Gemeinschaft kann zu einem Konfliktfaktor
werden, wenn Identität zu einem bestimmenden Moment wird. Das folgt
oftmals einer Dynamik, in welcher sub-nationale Identitäten dominant
werden und sich Konflikte entlang religiöser Zuordnungen transform-
ieren. (Frazer/Friedli 2015, 11) Edward Azar beschreibt diese Dynamik als
eine Fortschleppung (protraction) sozialer Konflikte, die zu einer iden-
titären Fragmentierung einer Gesellschaft führe. Er nennt das Vorhanden-
sein mehrerer Identitätsgruppen vor dem Hintergrund einer kolonialen
Geschichte und einer damit zusammenhängenden – zumindest latenten
– Rivalität zwischen ihnen als Grundbedingung einer solchen Dynamik.
Die sozialen Konflikte lassen sich fĂĽr Azar auf die Vorenthaltung grund-
legender menschlicher BedĂĽrfnisse (basic human needs) zurĂĽckfĂĽhren. Das
führt zur Politisierung der Identitätsgruppe(n). Geht die verantwortliche
Regierung nicht in adäquaten Ausmaß auf die Artikulation der Bedürfnisse
der Gruppe ein, so kann die Dynamik eskalieren. Dies initiiert einen Pro zess
gegenseitiger Stereotypisierung, welche den Konflikt entlang der Iden-
titätscharakteristika der Gruppen transformiert. So konstituiert sich aus
sozialen Gründen ein Teil der Bevölkerung als religiöse Gruppe mit poli-
tischen Forderungen. (Azar 1990, 1–16)
Noch vor der StaatsgrĂĽndung des modernen Libanon wechselte in der Re-
gion die ökonomische und politische Vormachtstellung zwischen sunni-
tischen Muslimen, maronitischen Christen und Drusen. Als Kolonialmacht
schufen die Franzosen den Libanon sodann territorial und konstitutionell
in einer Weise, welche die dominante politische Rolle der Christen kon-
stitutionell absicherte. Das fĂĽhrte immer wieder zu Unruhen unter den
Maximilian Lakitsch | Religion und Konflikt in den Internationalen Beziehungen
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 1:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 1:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 236
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven