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100 | www.limina-graz.eu Anti-Regime-Gruppen an ökonomische Faktoren gebunden werden kann:
Für Sunniten, die vom Regime bürokratisch oder ökonomisch abhängig
waren, war die religiöse Identität von geringerer Relevanz als die gemein-
same syrische. In anderen Worten, wenn die out-group goals von größerer
Relevanz als die in-group goals sind, dann bleibt jene damit verbundene
partikulare Gruppenidentität von geringerer Relevanz. (Korostelina 2007,
71–134)
Der Konfliktfaktor Religion als Diskurs bezieht sich auf die narrative Di-
mension in ihrer Eigenschaft, menschliche Wahrnehmung zu strukturie-
ren und zu beeinflussen. Peter Berger und Thomas Luckmann beschreiben
Diskurse als Systeme aus Wörtern, Praktiken und Bedeutungen, die durch
Interaktionen von Subjekten und Institutionen geschaffen, verändert und
erhalten werden.4 Politisch sind Diskurse von Bedeutung in ihrer Funktion
zur Legitimation einer institutionellen Ordnung. Nun beeinflussen Dis-
kurse die menschliche Wahrnehmung zwar maĂźgeblich, lassen aber den-
noch abweichende Gegen-Diskurse zu, welche durch ihre bloĂźe Existenz
die institutionelle Ordnung herausfordern. (Berger/Luckmann 1966, 92–
106)
In Syrien hat sich vor allem in den 1970er-Jahren ein sehr einflussrei-
cher anti-alawitischer Diskurs etabliert, der dem Regime Hafez al-Assads
aufgrund der religiösen Identität sowie der säkularen Baath-Ideologie
die Legitimität zur Herrschaft abgesprochen hat. (Lefèvre 2013, 82–101)
Analog dazu ist der anti-schiitische Diskurs gegen die Regierung im Irak
nach 2003 zu verorten. Regional hat vor allem Saudi-Arabien nach der Is-
lamischen Revolution im Iran 1979 sich darum bemĂĽht, den sunnitischen
regionalen Machtanspruch gegenĂĽber regionalen Ambitionen des Iran zu
untermauern. Zu diesem Zwecke wurde ein exklusivistischer und vor al-
lem anti-schiitischer Diskurs durch die Förderung salafistischer und wah-
habitischer Strömungen gestärkt, dessen Verbreitung regional und inter-
national forciert wurde. (Nasr 2007, 227–254.)
In vielen Ländern Nordafrikas und des Nahen Ostens hat sich entlang des
Gedankenguts von islamisch-fundamentalistischen Intellektuellen ein
Diskurs entwickelt, der islamische Konzepte von Staat und Politik gegen
die zumeist säkularen Ideologien der autoritären Regime stellt. Eine be-
sondere Lesart davon stellt der salafistische Jihadismus dar. Dieser sucht
auf dem Pfad des bewaffneten Jihad, politisch-islamische Konzepte auch
Maximilian Lakitsch | Religion und Konflikt in den Internationalen Beziehungen
Religiöse Diskurse haben oftmals politische Funktionen.
4 Auch wenn Berger und Luckmann
nicht den Begriff Diskurs verwen-
den, sondern vom symbolischen
Universum sprechen, soll fĂĽr die
Zwecke dieses Textes erstere Termi-
nologie angewandt werden, um u. a.
die Anschlussfähigkeit mit aktuellen
Paradigmen zu wahren.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 1:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 1:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 236
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven