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105 | www.limina-graz.eu neuen gemeinsamen nationalen Verfassung diskutiert. Die Verfassung von
2014 versucht religiöse sowie säkulare Bedürfnisse gleich ernst zu neh
men.
So nennt der erste Artikel den Islam als Staatsreligion. Der zweite Artikel
hingegen untermauert die Autonomie der politischen Sphäre sowie die
Gleichheit der Bürger jenseits ihres religiösen oder politischen Bekennt-
nisses.9 Das entspricht dem Konzept des dawla madaniyya, des „zivilen
Staates“, welches seit einigen Jahren im Diskurs mehrerer arabischer Län-
der präsent ist. In Syrien ist das Konzept des dawla madaniyya eine Grund-
voraussetzung zur Aufahme in den Syrian National Council, den obersten
Oppositionsrat. (de Poli 2014)
Eine Einordnung der Analyse und Konfliktbearbeitung entlang der ver-
schiedenen Dimensionen von Religion im Konflikt kann zwar niemals
trennscharf sein, kann jedoch durchaus als Orientierungsgrundlage die
nen.
Nichtsdestotrotz kann ein rein nationaler Fokus in Analyse und Bearbeitung
von Konflikten die Komplexität fundamentaler Prozess nicht hinreichend
fassen. Sehr oft verbergen sich hinter lokalen und nationalen Zusammen-
hängen größere regionale und internationale Dynamiken. Diese eröffnen
jenseits der nationalen Dimension einen weiteren Horizont regionaler und
internationaler Komplexität, der systematisch studiert werden muss.
Religion in den Internationalen Beziehungen
Nun ist die Annahme eines transnationalen Einflusses vor allem der großen
Weltreligionen mitunter trivial. Schließlich sind diese nicht nur über sämt-
liche Kontinente verbreitet, sondern haben etwa wie Christentum oder Is-
lam eine universale Botschaft. So verwundert es nicht, dass es in den So-
zial- und Politikwissenschaften eine Reihe von Literatur gibt, welche die
transnationale Relevanz von Religion studiert. Diese reflektiert jedoch
selten auch die regionalen und lokalen Manifestationen mit. Auf der an-
deren Seite gibt es Unmengen an Arbeiten zu geographisch eingegrenz-
ten Bewegungen oder Phänomenen, die aber kaum Rückschlüsse für eine
transnationale Ebene ziehen. Die individuelle und regionale Perspektive
werden also kaum in ihrer trans- und internationalen Dimension reflek-
tiert und umgekehrt. (Hassner 2010, 43) Die Notwendigkeit, genau dies
Maximilian Lakitsch | Religion und Konflikt in den Internationalen Beziehungen
9 Tunisian Constitution adopted on
26 January 2014 by the Constituent
Assembly of Tunisia. Translated by
UNDP and reviewed by International
IDEA. Literatur zu Religion in Konflikten reflektiert selten lokale Dynamiken
in ihrer transnationalen Bedeutung.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 1:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 1:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 236
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven