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109 | www.limina-graz.eu mehrere religiöse Diskurse zurückgreifen, die eine Reihe von Identitäten
– auch regional und international –transportieren, welche Möglichkei-
ten des exis tentiellen und religiösen Selbstausdrucks zur Verfügung stel-
len. Ebenso wirken die Subjekte durch ihr Agieren auf die Diskurse und die
Identitäten zurück.
Methodisch lässt sich eine solche Dynamik mit dem Paradigma des sozi-
alen Konstruktivismus in den Internationalen Beziehungen angemessen
beschreiben. Gemäß Emmanuel Adler könne dieser zwischen Positivismus
und Anti-Positivismus bzw. Post-Strukturalismus eingeordnet werden.
Vom Post-Strukturalismus ĂĽbernimmt der Konstruktivismus die Ăśber-
zeugung, dass Diskurse die Wahrnehmung und Handlungen von Subjek-
ten bestimmen. Was ihn jedoch von diesem unterscheidet und damit dem
Positivismus näherbringt, ist die Beschreibung des Subjekts als autonomer
Akteur, der in seinen Handlungen und Entscheidungen durchaus Diskurse
transzendieren kann und von diesen nicht vollkommen absor
biert wird.
Dementsprechend kann ein Sozialkonstruktivismus die grund legende Re-
levanz von Diskursen für das Selbst- und Fremdverständnis von Subjek-
ten behaupten, aber gleichzeitig auch dem Verlust von dessen Handlungs-
potential vorbeugen. So wird das Subjekt nicht vom Diskurs geschluckt und
kann auf diesen zurĂĽckwirken. (Adler 1997)
Das Subjekt ist also umgeben von Identitäten und Diskursen, welche in
vielen Fällen staatliche Grenzen transzendieren und sowohl regional als
auch international interagieren. Identitäten und Diskurse sind also abhän-
gige Variablen, insofern sie durch die Interaktionen von Subjekten beein-
flusst werden. Gleichzeitig stellen diese aber auch unabhängige Va
riablen
dar, insofern etwa Diskurse die Handlungen von Subjekten bestimmen oder
identitätsinhärente Dynamiken Interaktionen beeinflussen. So streben
Subjekte etwa nach positiver Identität durch Affirmation durch ihre Um-
welt (Berger/Luckmann 1966, 138–179) oder auch nach Abwertung anderer
Identitäten (Tajfel 1974). Misslingt diese Bestätigung entsteht ein Bruch,
der das Subjekt nach neuen Identitäten verlangen lässt, die Bestätigung
finden können. Identitäten sind das Produkt von Diskursen, erwachsen aus
diesen oder bilden sich aus Intersektionen von Diskursen aus.
Darauf aufbauend könnte eine Theorie von Akteuren entwickelt werden,
die nichtstaatliche Akteure wie Organisationen oder Individuen auf die-
Maximilian Lakitsch | Religion und Konflikt in den Internationalen Beziehungen
Es bedarf einer Theorie der Internationalen Beziehungen, die
nichtstaatliche Akteure auf dieselbe Ebene stellt wie Staaten.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 1:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 1:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 236
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven