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117 | www.limina-graz.eu Die Kunst des Versprechens im Glauben besteht darin, im Widerspruch zu
Ver-sprechungen Trauer und Angst in Freude und Hoffnung zu drehen.
Dann wird aus seiner Zukunft ein locus theologicus alienus.
Diese Kunst kann aber erst meistern, wer entschieden auszuräumen ver-
steht, was vom christlichen Glauben ver-sprochen worden ist. Ein Parade-
beispiel für diesen Zusammenhang spielt sich nach Mt 16 in Caesarea
Philippi zwischen Jesus und Petrus ab.
Ver-sprechen eines satanischen Verses
Der Ort ist dabei nicht ganz unwichtig. Caesarea Philippi war eine römische
Stadt, die am Südwestabhang des Hermon und nahe zu einer der drei Jor-
danquellen angelegt worden war. Im Itinerar Jesu im Mt-Evangelium ist
die Stadt der am weitesten von Jerusalem entfernte Punkt. Dort fragt Je-
sus seine Jünger, für wen die Leute den Menschensohn halten. Nach einer
Reihe von Antworten konfrontiert er seine Jünger damit, für wen sie selbst
ihn denn eigentlich hielten. Petrus gibt ohne zu zögern zurück: „Du bist der
Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!“ (Mt 16,16)
Für diese vorbildliche Antwort erhält Petrus von Jesus ein Versprechen für
die Zukunft: „Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche
bauen und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen!“ (Mt
16,18) Der Satz markiert im katholischen Glaubensuniversum die Grün
dung
der Kirche durch Jesus sowie die göttliche Begründung des Papsttums, was
bis heute auch so vertreten wird. Es handelt sich um ein machtvoll auftre-
tendes Versprechen. Es folgen dann bekanntlich noch weitere Verspre
chen
wie die Binde- und Lösegewalt und die Schlüssel für das Himmelreich.
Die Szene wird mit dem synoptischen Schweigegebot abgeschlossen. Die
Jünger sollen diese Enthüllung nicht weitergeben, damit keine falschen
Hoffnungen entstehen.
Unmittelbar danach kommt Jerusalem, also der Antipode zu Caesarea
Philippi, ins Spiel, weil Jesus nun beginnt, seinen Jüngern zu erklären,
er müsse nach Jerusalem gehen und von den Ältesten, den Hohepries-
tern und den Schriftgelehrten vieles erleiden (Mt 16,21). Auch das ist ein
Verspre chen, allerdings ein befremdliches. Es ist die Ansage einer Zukunft,
die theo logisch unausweichlich ist, weil erst in ihr auf Gott zu treffen ist.
Theo logisch setzt sich das natürlich von Paulus ab, der die Innenerfahrung
des Sünders/der Sünderin und die Rechtfertigung durch den Glauben den
tatsächlich lokalisierbaren Ortsangaben vorzieht. Hier bei Matthäus – und
Hans-Joachim Sander | Gebrochenes Ver(-)sprechen
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 1:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 1:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 236
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven