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124 | www.limina-graz.eu chen möglicherweise gar nicht bemerkt hat. Er hat sicherlich nicht an das
gedacht, was selbst – oder: gerade – für ihn über dieses Versprechen des
Paulus offenkundig war.
Man kann in seinem Anführen des Paulus-Zitats einen Freudschen Ver-
sprecher der Person Groër sehen; aber wie zu Anfang gesagt, darum geht
es mir nicht. Die Person Groër hat sich durch ihr Verhalten als letztlich be-
langlos für die Zukunft des Glaubens erwiesen, weil keines ihrer Verspre-
chen dazu mehr glaubwürdig geblieben ist, selbst wo sie die Versprechen
des Glaubens ordentlich zur Sprache gebracht hat. Die Person ist natürlich
für eine Jünger(innen)-Schar weiter wichtig und mag für ihre kirchenpoli-
tischen Absichten ein Konfrontationskapital darstellen (dazu Waste 2013).
Theologisch ist sie nicht von Belang.
Ihr Ver-sprechen ist es dagegen sehr wohl, weil es aus dem selbstgerech-
ten Umgang mit dem Sinn des Versprechens resultiert, das Paulus den Ko-
rinthern gibt. Diese Selbstgerechtigkeit ist der Schlüssel dafür, dass jener
Sinn diesem Kardinal zu einer Bedeutung weggekippt ist, die auf breiter
Front relativiert, was er als Bischof darstellen wollte und sollte. Das hat
natürlich auch tragische Züge und wirft Schatten selbst dorthin, wo bei
diesem Geistlichen möglicherweise auch Licht war. Aber sein Ver-sprechen
ereignet sich weder zufällig noch als einmaliger Ausrutscher; es sollte an-
dere beschämen und mit der Macht demütigen, die sich der Kardinal davon
versprach.
Doch er hat diese Macht unterschätzt. Sie richtete sich gegen ihn selbst und
wirft buchstäblich ein spotlight auf all die Äußerungen, Aktivitäten, An-
zeichen, wo sein Gebrauch des Glaubens sich gegen das richtet, was dieser
Glaube bedeutet. Groërs Bruch des Versprechens des Glaubens kehrt um,
wozu das Pauluszitat geschrieben wurde. 1 Kor 6,9 soll den Glauben bei
jenen stärken, die im damaligen Korinth ohnmächtig all denen ausgesetzt
waren, gegen die sich Paulus mit seiner Bemerkung richtet.
Diese Differenz von Macht und Ohnmacht ist von gravierender Bedeu-
tung. An ihr entscheidet sich, ob ein Bezug auf die theologischen Inhalte
des christlichen Glaubens seine Versprechungen weitergeben kann oder
an Ver-sprechungen zerbricht. Mit Gott lässt sich nicht spaßen, wenn je-
mand auf die Macht zugreift, die allein schon seine gläubige Erwähnung
Hans-Joachim Sander | Gebrochenes Ver(-)sprechen
An der Differenz von Macht und Ohnmacht entscheidet sich,
ob der christliche Glauben seine Versprechungen weitergeben kann
oder an Ver-sprechungen zerbricht.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 1:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 1:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 236
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven