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146 | www.limina-graz.eu problematisch. Wird hier nicht mit versteckten Adressierungen, Identifi-
zierungen und damit auch Unterscheidungen gearbeitet, die erst im Voll-
zug konstruiert werden? Die Intention, die SchĂŒlerinnen und SchĂŒler in
ihrer Vielfalt zu wĂŒrdigen, hebt diese doch zunĂ€chst einmal hervor. So wird
durch diese WĂŒrdigung HeterogenitĂ€t erst konstruiert. Das zweite Beispiel
spitzt dies nochmals zu, wird hier doch mit der Unterstellung gearbeitet,
dass es natĂŒrliche Unterscheidungen von Geschlechtern gibt, die dann
durch die differente Zuordnung von Farben symbolisch verstÀrkt und nor-
mativ aufgeladen wird. Ein richtiges MĂ€dchen spielt mit rosa Puppen, ein
richtiger Junge ist technikinteressiert. Hier werden im Hintergrund wir-
kende Mechanismen des Typologisch-Stereotypen eklatant sichtbar, die
freilich noch deutlicher wĂŒrden, wenn wir sagten: âdie Kinder mit Migra-
tionshintergrund bekommen das grĂŒne Arbeitsblatt, die Biodeutschen das
gelbeâ. Hier wĂ€re der Diskurs in der Tat sofort als âunhaltbarâ erwiesen
(Rendtorff 2014, 126).
Mit Bezug auf die sprachanalytischen Reflexionen von BeichtgesprÀchen
will Foucault solche Mechanismen in Bildungsprozessen als subtile Aus-
ĂŒbungen von Macht entlarven. Sie bestehen darin, dass machtförmige
Strukturen der Gesellschaft sich gerade so durchsetzen, dass die Subjekte
frei zu sein glauben. Eine solche FĂŒhrung beruht ânicht auf Zwang, sondern
auf der Bereitschaft, sich fĂŒhren zu lassenâ. Sie beruht auf der EinĂŒbung
in das, was aus Sicht liberaler Selbstbestimmung paradox erscheinen
muss: âfreiwillige Knechtschaft als höchste Form individueller Freiheitâ
(Bröckling 2017, 22). In der Suche der Subjekte nach Autonomie reprodu-
ziere sich eine Asymmetrie, die Foucault âPastoralmachtâ nennt (vgl. Fou-
cault 1987, 243â261; Steinkamp 2015). Wie der Beichtvater gemeinsam mit
dem BĂŒĂenden, wie der âHirteâ gemeinsam mit dem âSchafâ die Ordnung
des Beichtens und der spirituellen FĂŒhrung bejaht, so setzt sich darin die
Macht des Diskurses durch. DemgemÀà kann âBildung selbst als eine ge-
sellschaftliche Transformation durch individuelle Formation und so als
spezifische Form der âFĂŒhrung der FĂŒhrungenâ (Foucault) gelesen werdenâ
(Ricken 2006, 25; vgl. Schweitzer 2014, 120â126). Der innere Zusammen-
hang von Macht und Bildung besteht demnach darin, dass Bildung letztlich
Selbst-Kontrolle kultiviert und damit in MachtzusammenhÀnge einweist,
Bernhard GrĂŒmme | Religionsunterricht zwischen Macht und Bildung
Der Zusammenhang von Macht und Bildung besteht darin, dass Bildung
Selbst-Kontrolle kultiviert und damit in MachtzusammenhÀnge einweist,
die sich hinter dem RĂŒcken der Subjekte reproduzieren.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 1:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 1:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 236
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven