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147 | www.limina-graz.eu die sich durch diese Selbst-Kontrolle hinter dem RĂŒcken der Subjekte re-
produzieren (vgl. Ricken 2006, 25â30). Bildung und Macht mĂŒssen also
kritisch zusammen gedacht werden, um diese Diskursmacht dekonstru-
ieren zu können.
âDamit kann nicht nur die moderne PĂ€dagogik ĂŒberhaupt, sondern ins-
besondere die Figur der âBildungâ als zentrales Moment einer sĂ€kula-
risierten Pastoralmacht verstanden werden, deren Fruchtbarkeit und
EffektivitÀt gerade darin liegt, im Abweis von Fremdbestimmung und
Repression den eigenen formierenden Zugriff auf die LebensfĂŒhrung der
Menschen selbst unkenntlich zu machen und als âstellvertretende Sorgeâ
auszugebenâ (Ricken 2006, 212; vgl. auch Ricken/Balzer 2012).
Im Hintergrund steht ein diskurstheoretischer Machtbegriff. Im Poststruk-
turalismus Michel Foucaults werden Theorien und Begriffe in den Kontext
von Praxis und sozialen Distinktionen gesetzt. Feste Bedeutungen, ontolo-
gische Zuschreibungen, ungeschichtliche, quasi als Natur festgeschriebene
Essentialisierungen, Wesensbeschreibungen werden aufgelöst und der be-
deutungsbestimmenden Macht der Diskurse zugeschrieben (Emmerich/
Hormel 2013, 107 und vgl. 9â15; detailliert vgl. Budde 2012). Jedes Spre-
chen, jedes Handeln, jedes Denken gewinnt seine Bedeutung in konkreten
Konstellationen, die von dem dynamischen und höchst komplexen GefĂŒge
von Erkenntnis und Interesse im Zeichen von gesellschaftlicher und kul-
tureller Hegemonie und politischer Macht geprĂ€gt werden. Der âmikro-
physische Typusâ der Macht bei Foucault setzt voraus (Konersmann 2015,
236), dass in
âjeder Gesellschaft die Produktion des Diskurses zugleich kontrolliert,
selektiert, organisiert und kanalisiert wird â und zwar durch gewisse
Prozeduren, deren Aufgabe es ist, die KrÀfte und die Gefahren des Dis-
kurses zu bÀndigen, sein unberechenbar Ereignishaftes zu bannen, seine
schwere und bedrohliche MaterialitĂ€t zu umgehenâ (Foucault 2003,
10â11).
Insofern ist Sprechen âals anrufendes, machtproduktives Sprechen zu ver-
stehenâ (Rose 2014, 143). Diese Mechanismen aufzudecken, zu entlarven
und ideologiekritisch zu konterkarieren ist das Ziel dessen, was Foucault
âDiskursanalyseâ nennt.
Die Pointe der Diskursanalyse liegt demnach in einer Diskursivierung der
Begriffe. In dieser machtkritischen Diskursanalyse wird danach gefragt,
Bernhard GrĂŒmme | Religionsunterricht zwischen Macht und Bildung
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 1:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 1:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 236
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven