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157 | www.limina-graz.eu nen. Als eine praktische Wissenschaft kann die Religionspädagogik so re-
ligiöse Bildungsprozesse normativ orientieren, ohne die Kraft der Praxis
für die Theorie zu delegitimieren (Grümme 2015, 70–150). Die vielfältigen
Dynamisierungen und Interdependenzen der verschiedenen Differenzen
und Ungleichheiten, von Behinderung und Armut, Geschlecht und Migra-
tion könnten mit dem Begriff der Aufgeklärten Heterogenität aufeinander
bezogen und reflexiv bearbeitet werden.
Der Beitrag der unter den gegenwärtigen Bedingungen reformulierten Kri-
tischen Theorie hierzu liegt darin, diese Interdependenzen noch genauer
denken und zugleich kritisch bearbeiten zu können. Dieser geht es um die
zentralen interdependenten Konstitutionsbedingungen und Vollzüge von
Normativität und Macht, von einerseits normativ bestimmten Lebensvoll-
zügen in Kultur, Religion, Geschichte, Ökonomie und Gesellschaft und an-
dererseits von Macht und Hegemonie.
„Wir sind daran gewöhnt, die Be griffe ‚Normativität‘ und ‚Macht‘ als
Gegensatzpaar zu verstehen: Ersterer ist durch rechtfertigende Gründe
für unser Denken und Handeln gekenn zeichnet, Letzterer durch deren
Abwesenheit und die Herrschaft purer Faktizität. So scheint es jedenfalls.
Aber genauer betrachtet, muss Normati
vi tät auch Macht entfalten, um
uns bewegen zu können – und soziale Macht muss, um wirksam zu sein,
die Normativität des gesellschaftlichen Lebens, unseres Denkens und
Handelns, durchdringen, auch dann, wenn sie nicht gut begründet ist“
(Forst 2015, 74–75).
Die Konfrontation einer solchen Kritischen Theorie mit Foucault eröffnet
nun weiterführende Horizonte. Man kann Foucault durchaus vorwerfen,
die Mechanismen der Macht so zu verallgemeinern, dass die Spielräume
der Subjekte marginalisiert werden. Demnach gibt es exterritoriale Gebie-
te, gibt es Horizonte, die von der alles in sich bergenden Macht der Diskurse
nicht erfasst werden. Bei ihm, so etwa Rainer Forst, sei eher eine neo- als
poststrukturalistische Tendenz festzustellen,
„von allumfassenden Wahrheitsregimen (‚Episteme‘) oder Machtkon-
stellationen (‚Dispositive‘) auszugehen, die wesentlich homogener er-
scheinen, als sie eigentlich sind. In einer bestimmten historischen Epo
che
überlagern sich verschiedene religiöse, wissenschaftliche und institutio-
nelle Praktiken, denen bestimmte Formen der ‚Subjektivierung‘ entspre-
chen; doch diese Formen erscheinen in mehreren Versionen und werden
auf vielfältige Weise reproduziert, die Raum für Differenz und Kritik las-
sen“,
Bernhard Grümme | Religionsunterricht zwischen Macht und Bildung
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 1:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 1:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 236
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven