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186 | www.limina-graz.eu tion in XML/TEI und die VerknĂĽpfungen zwischen Transkription und Fac-
similes. Der öffentlichen Bedeutung des Textes angemessen ist es, dass zu
den neutestamentlichen Bestandteilen englische Ăśbersetzungen verfĂĽgbar
sind. Textkritische relevante Stellen sind in der Anzeige farblich markiert.
Was im NT.VMR als Vorarbeit zur kritischen Edition verstanden wird, ist in
diesem Projekt ebenso wie in der digitalen Repräsentation der Aleppo Co-
dex Dokumentation einer Zimelie der TextĂĽberlieferung.
Einen ähnlichen materialistischen Weg über die einzelnen Textzeugen
nimmt die digitale Aufbereitung der Schriftrollen vom Toten Meer (Shor
2012–2018). Hier geht es um eine Dokumentation archäologischer Be-
funde, die primär Bilder der Textfragmente verfügbar macht. Sie werden
zunehmend genauer beschrieben, so dass Literatur zu den StĂĽcken, Text-
inhalte und zu einzelnen auch Transkriptionen vorliegen. Die Handschrif-
ten biblischer Texte sind hier also nicht primär Textzeugen aus der Über-
lieferung des Textes, sondern Teil eines archäologischen Fundes. Die Daten
hinter der Anwendung (Bilder, Transkriptionen, Dokumentation) können
aber sehr wohl Teil einer kritischen Edition werden. Was in diesen digitalen
Repräsentationen mit Fokus auf der Materialität des einzelnen Textzeugen
verteilt realisiert wird, hat NT.VMR gewissermaĂźen in einer Webanwen-
dung zusammengefĂĽhrt.
Die edierten Texte haben natürlich auch eine linguistische Qualität. Der
sogenannte Westminster Leningrad Codex (Salisbury 2016) ist kein Bild der
Handschrift sondern eine präzise Transkription des Codex, die das Team
um Stephen K. Salisbury am J. Alan Groves Center for Advanced Biblical
Research in Philadelphia mit linguistischen Annotationen versehen und in
eine Sprachdatenbank überführt hat. Die XML-Repräsentation des Textes
könnte also auch als ein Teildatensatz einer dem Codex Sinaiticus-Projekt
vergleichbaren digitale Ressourcen verstanden werden oder in den NT.VMR
integriert werden. Gleichzeitig ist eine solche Datenbank Teil textkritischer
Arbeit, wovon die Zusammenstellung von Emanuel Tov aus dem Jahr 2008
zeugt (Tov 2008, 232–233).
Computerlinguisten arbeiten grundsätzlich gerne mit religiösen Grund-
lagentexten wegen ihrer kanonisierten Form, intensiven wissenschaftli-
chen Erschließung und weiten Verbreitung. So liegen z. B. digitale Text-
corpora auch für die Veden vor, wie sie das Göttingen Register elek-
tronischer Texte in Indischen Sprachen (GRETIL) nachweist. Linguistisch
angereicherten Textsammlungen ist eigen, dass sie zwar eine zuverlässige
Textgrundlage benötigen, aber keine eigene Leistung erbringen müssen,
diese zu erstellen. Editorische Arbeit ist ihnen also vorgängig.
Georg Vogeler | Religion aus Daten?
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 1:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 1:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 236
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven