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202 | www.limina-graz.eu es gibt weder hinsichtlich der Macht noch hinsichtlich der Gewalt
wirkungsvolle Regulative, die ihren Missbrauch völlig verhindern
können. Nur eine hoch entwickelte Ethik und damit einhergehend
eine Moral, die ihrerseits in entsprechende Regeln einflieĂźen,
können verhindern, dass Macht und Gewalt an einem bestimmten
Punkt ihrer Ausübung ins völlige Unrecht kippen. Der absolut frei
(im Sinne von: auch frei von juridischen/ethi
schen/moralischen
Regulativen) handelnde Mensch wird – sofern man vom Normal-
fall ausgeht und nicht ein hypothetisches Idealbild verfolgt – sich
der Dynamik der Macht nicht entziehen können.2 Nicht umsonst
sagt ein Sprichwort, das Abraham Lincoln zugeschrieben wird:
„Willst du den Charakter eines Menschen ergründen, gib ihm viel
Macht.“
b. Die Rede ist von Interessen. Das bedeutet grundsätzlich, dass eine
Intention vorliegen muss, die vom handelnden Subjekt verfolgt
wird. DafĂĽr sind wiederum neben dem selbstbewussten Subjekt ein
Wille, ein Konzept von Zeit und eine Vorstellung von verfĂĽgbaren
Optionen nötig; speziell diese Eigenschaften werden noch mehr-
heitlich als typisch menschliche betrachtet.3
c. Die Rede ist von beteiligten Subjekten. Ich gehe dabei davon aus,
dass eine Subjekthaftigkeit in diesem Sinne allen leidens- bzw.
emotional empfindungsfähigen Wesen eignet. Es ist insofern nicht
möglich, Macht über Dinge auszuüben; wenn man an Dingen seine
Macht demonstriert, dann demonstriert man sie fĂĽr ein anderes
Subjekt und nicht um des Dinges willen. Nur zwischen Subjekten
ist ein Konsens möglich; ein ausdrücklicher Akt der Übereinstim-
mung hinsichtlich vorliegender Entwicklungsoptionen. Der Kon-
sens setzt Kommunikation voraus; diese Kommunikation ist nach
meinem Verständnis weit gefasst und nicht nur auf verbale Akte
beschränkt.4
Diese Definition enthält natürlich erhebliches Einredepotential hinsicht-
lich des Titels dieses Beitrages. Können Daten Macht haben bzw. Macht
ausüben; weitergedacht: können Daten nicht nur Bestandteile (Objekte),
sondern Organe (Subjekte) eines Machtprozesses werden?
Damit kommen wir zur nächsten Definitionsnotwendigkeit: der des Daten-
begriffes.
Christian Wessely | Die Macht der Daten
2 Darin besteht die bis heute un-
bezweifelbare Wahrheit Thomas
HobbesĘĽ: Konflikte bestimmen die
conditio humana; aus dem zerstöre-
rischen Potential dieser entspringt
die Notwendigkeit des (Gesell-
schafts-)Vertrages. Hobbes ist aber
auch klar, dass dieser Vertrag einer-
seits ein Machtgefälle, andererseits
einen autonom agierenden Souverän
braucht – diese beiden Vorausset-
zungen fallen in der rezenten Infor-
mationsgesellschaft grundsätzlich
weg oder stehen zumindest in Frage.
Vgl. Herb 2008, 70–72.
3 Eine sehr brauchbare Kompila-
tion der Diskussion über „typisch
menschliche“ Eigenschaften findet
sich in Heilinger 2010, 82–90. Auch
wenn sich im Detail seit 2010 vieles
enorm weiterentwickelt hat, sind
die Grundlinien der Bestimmungen
nach wie vor gĂĽltig, weil sie letztlich
Resultate philosophischer Erwägun-
gen sind. Im Wesentlichen verweist
er auf den biologistischen, den sozi-
alen, den technischen, den kommu-
nikativen und den rationalistischen
Ansatz. Was er ausklammert, ist der
m.E. zentrale des Geschichts- und
Kontingenzbewusstseins. Gerade
letzterer wäre im Zusammenhang
mit der Frage nach der Rolle der
Daten und ihrem Machtpotential
sehr bedenkenswert.
4 Mit Habermas (1988) bin ich
zunächst der Meinung, dass die
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 1:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 1:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 236
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven