Page - 75 - in Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 2:1
Image of the Page - 75 -
Text of the Page - 75 -
75 | www.limina-graz.eu hohen Zahlen bei den RĂĽstungsexporten auf der einen Seite und dem Wil-
len zur Bekämpfung von Fluchtursachen auf der anderen Seite (vgl. Herr-
mann 2016, 192–193), und dass dies auch dann gilt, wenn Rüstungsexporte
strengen Kriterien unterliegen (vgl. BMWi 2018), haben die Politikerinnen
und Politiker offensichtlich selbst gespĂĽrt: Im Koalitionsvertrag zwischen
CDU/CSU und SPD wurde Anfang 2018 ausgehandelt, die Verteidigungs-
ausgaben nur dann zu erhöhen, wenn die Ausgaben für Entwicklungshilfe
im Verhältnis von eins zu eins ebenfalls erhöht würden (vgl. CDU, CSU und
SPD 2018, 17). FĂĽr die laufende Legislaturperiode wurde festgelegt, je eine
Milliarde Euro zusätzlich für Verteidigung auf der einen Seite und Entwick-
lungshilfe, Krisenprävention und humanitäre Hilfe auf der anderen Seite
auszugeben (vgl. Woratschka/Funk/Salzen 2018, 3).
Es sind nicht die Rüstungsexporte allein, bei denen Ideal und Realität ausei-
nanderklaffen. Kaum ein europäisches Land kann sich davon freisprechen,
seine wirtschaftlichen Interessen auf Kosten der Länder des globalen Sü-
dens zu verfolgen. Ousmane Diarra, Präsident der Abgeschobenenselbst-
organisation AME in Mali, stellt einen direkten Zusammenhang zwischen
Ausbeutung und Flucht her: „Die westlichen Länder, die Länder Europas,
müssen aufhören, die Bodenschätze in Afrika auszubeuten. Dann können
Fluchtursachen auch tatsächlich bekämpft werden.“ (PRO ASYL/Brot für
die Welt/medico international 2017, 10) Das ohnehin schon bestehende
Nord-Süd-Gefälle wird durch ausbeuterische Welthandelsbeziehungen
noch weiter vertieft (vgl. Herrmann 2016). Wirtschaftliche Not treibt Men-
schen in die Flucht – meist aber können nur die Wohlhabenderen unter
ihnen fliehen, und mit den Wohlhabenderen fliehen die Leistungsträger
eines Landes, die zu dessen Stabilisierung am ehesten beitragen könnten
(vgl. Nida-Rümelin 2017, 11–12, 24). Martha Nussbaum hat 2010 in ihrem
vielbeachteten Buch Die Grenzen der Gerechtigkeit einen Richtwert dafĂĽr
angegeben, welchen Anteil des Bruttoinlandsprodukts die reichen Länder
dieser Erde moralisch gesehen in Entwicklungshilfe flieĂźen lassen sollten:
„Von reicheren Ländern kann man vernünftigerweise erwarten, daß
sie sehr viel mehr geben, als das gegenwärtig der Fall ist, um ärmeren
Ländern zu helfen: Obwohl es sich um einen willkürlichen Wert handelt,
kämen zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts dem, was moralisch ge-
fordert ist, bereits nahe. (Die Vereinigten Staaten wenden gegenwärtig
margit Wasmaier-sailer | recht tun – recht verlangen
Das Thema weltweiter Armut wird sträflich vernachlässigt.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 2:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 2:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 194
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven