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76 | www.limina-graz.eu 0,02 % ihres BIP für die Entwicklungshilfe auf, die europäischen Staaten
deutlich weniger als ein Prozent, auch wenn manche, wie Dänemark und
Norwegen, sich diesem Wert annähern.)“ (Nussbaum 2010, 432)
Deutschland hat sich 1972 darauf verpflichtet, 0,7 Prozent des Brutto-
inlandsprodukts in Entwicklungshilfe zu investieren, 2016 hat es dieses
Ziel erstmalig und bisher einmalig erreicht (vgl. Spiegel online vom 11. April
2017). Das Problem, dass das Bekenntnis zu einer gerechteren und huma-
neren Welt von diesen Zahlen so wenig gedeckt ist, hat nicht erst die jetzi-
ge Regierung. Viele Regierungen vor Merkel haben dieses Ziel über Jahre
verfehlt; den meisten anderen europäischen Regierungen geht es ebenso.
Das Thema weltweiter Armut wird sträflich vernachlässigt. In diesen Zu-
sammenhang gehört auch die Tatsache, dass Deutschland 2015 für den
Nothilfe-Treuhandfonds für Afrika zur Bekämpfung von Fluchtursachen
keine Mittel zugesagt hat (vgl. Schiltz 2015; Nida-Rümelin 2017, 223), und
dass das UN-Flüchtlingshilfswerk 2015 nicht mehr genügend Geld für die
syrischen Flüchtlinge im Libanon, in Jordanien und der Türkei aufbringen
konnte. Es war zuletzt der Hunger, der diese Flüchtlinge, die noch lange
auf eine Rückkehr in ihre Heimat gehofft hatten, zur weiteren Flucht nach
Euro pa trieb. Trotz Hilferufen des UN-Flüchtlingshilfswerks hatten viele
europäische Staaten, unter ihnen auch Deutschland, die zugesagten Bei-
träge zu spät gezahlt (vgl. Dernbach 2015; Nida-Rümelin 2017, 223).
Das innerdeutsche Verhältnis zwischen Ost- und Westdeutschen
Petra Köpping, die sächsische Ministerin für Gleichstellung und Integrati-
on, hat mit ihrem Buch Integriert doch erst mal uns! eine Streitschrift für den
Osten Deutschlands vorgelegt. Die Tatsache, dass in Sachsen wie insgesamt
in Ostdeutschland rechte Gruppierungen immer mehr Zulauf haben, dass
die Menschen auf Flüchtlinge schimpfen, und dass sie der Politik zuneh-
mend distanziert gegenüberstehen, hat sie dazu veranlasst, am Rande von
Pegida-Demonstrationen oder in Bürgerversammlungen genauer nach-
zufragen, was die Menschen denn so wütend mache (vgl. Köpping 2018,
7–16). Von diesen Gesprächen berichtet sie:
„[...] fast in allen Fällen war recht schnell nicht mehr die ‚Flüchtlings-
problematik‘ das alles entscheidende Thema. Es ging um etwas viel tie-
fer Liegendes. Etwas Grundlegenderes. Die Flüchtlinge waren der Anlass,
doch der Grund der Erregung war bei vielen offensichtlich älter.
margit Wasmaier-sailer | recht tun – recht verlangen
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 2:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 2:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 194
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven