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axel Bernd Kunze | staat – Identität – recht
Sicherheit seiner Bürger nicht zuverlässig garantieren kann, verliert auf
Dauer deren Vertrauen. Positive LeistungsansprĂĽche an den Staat mĂĽssen
dessen finanzielle, volkswirtschaftliche, soziale oder rechtliche Leistungs-
fähigkeit berücksichtigen; ein chronisch überfordertes Staatswesen wird
weder seinen kultur- und sozialstaatlichen Funktionen nachkommen noch
humanitäre Schutzansprüche erfüllen können.
Staatsvolk
Subjekt wie Objekt der Staatsgewalt ist das Staatsvolk, ein ĂĽberindividu-
eller, nach formalen Kriterien identifizierbarer Personenverband. Das
Staatsvolk, bestimmt durch das Staatsangehörigkeitsrecht, trägt den Staat
und ist zugleich der Staatsgewalt unterworfen. Das Staatsvolk ist mehr als
ein zufälliger Verbund von Individuen, der allein persönlichen Beziehun-
gen oder material definierten Sonderinteressen verpflichtet ist. Vielmehr
geht es um eine Schicksals- und Solidargemeinschaft, die durch gemein-
same Identität zusammengehalten wird. Diese Gruppenidentität vermit-
telt sich durch miteinander geteilte Herkunft, Erinnerung und Geschichte,
durch Kultur, Bräuche und Mythen, durch Symbole, Sprache und emotio-
nale Verbundenheit. Einbürgerung bleibt möglich, stellt aber die Ausnah-
me von der Regel dar.
Die Macht des Staates grĂĽndet auf seiner Anerkennung durch die Staats-
bĂĽrger, ihrem Rechtsgehorsam und der Einsicht, sich der Eigenmacht zu
enthalten. Diese Gehorsamspflicht der BĂĽrger ist kein fester Besitzstand.
Auf Dauer wird der Staat seine Macht und notwendigen Rechtsgehorsam
nur gegen den Willen einer kleinen Zahl Abweichler behaupten können,
ohne sich selbst in Frage zu stellen. Bei Mehrheits- und Kompromissent-
scheidungen wird es stets Unterlegene geben, die ihre Position nicht durch-
setzen konnten. Dies akzeptieren zu können, setzt einen gesellschaftlichen
Konsens voraus, der ein MindestmaĂź an Gemeinsamkeiten sichert, auf das
die Glieder der politischen und rechtlichen Gemeinschaft vertrauen kön-
nen – unabhängig davon, ob sie bei einer konkreten Streitfrage zu den
Unterlegenen oder Durchsetzungsstarken zählen. Daher ist es für die Sta-
bilität einer Demokratie keinesfalls belanglos, wie sich das Staatsvolk zu-
sammensetzt:
„Denn der Verfassungsstaat hegt die Erwartung einer gelebten Demo-
kratie, die ohne die Fähigkeit des Staatsvolkes zur einheitlichen Wil-
lensbildung enttäuscht werden dürfte, daher ein gewisses Maß an Zu-
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 2:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 2:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 194
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven