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Kurt remele | Christliche Kakistokratie
beiden Bush-PrÀsidenten. Graham half George Bush Jr. entscheidend bei
der Bekehrung zu Jesus Christus und bei der Ăberwindung seiner Alkohol-
abhÀngigkeit. George Bush Sr. konsultierte Graham im Zusammenhang
mit dem Zweiten Golfkrieg (1990â91). Nach einem solchen Treffen er-
klÀrte Bush vor dem Kongress, die amerikanische Nation könne nur von
einem PrĂ€sidenten gefĂŒhrt werden, der fest und unbedingt an Gott glaubt.
SchlieĂlich segnete der neben dem PrĂ€sidenten stehende Billy Graham die
in den Golfkrieg aufbrechenden amerikanischen Truppen (Remele 1992,
106; RĂŒb 2008, 15â26).
Billy Graham war politisch und theologisch zweifellos ein ausgesprochen
konservativer Mensch. Dennoch kann man ihn als Nestor all jener evange-
likalen Christinnen und Christen bezeichnen, die im Gegensatz zu weiter
rechts stehenden protestantischen Gruppen innerchristliche Polemik und
platten Antiintellektualismus ablehnen, die den apokalyptischen Szenari-
en von einer unmittelbar bevorstehenden leiblichen Wiederkunft Christi
(PrÀmillennialismus) keine zentrale Bedeutung beimessen, denen all-
zu schrille Militanz nicht behagt und fĂŒr die die Trennungslinie zwischen
guten wiedergeborenen Christen und dem bösen Rest der Welt nicht ra-
siermesserscharf gezogen werden kann. Graham identifizierte sich mit den
gemĂ€Ăigten evangelikalen Christen und ihrer 1942 gegrĂŒndeten Organisa-
tion, der National Association of Evangelicals.
Die gefĂŒhlsbetonte SpiritualitĂ€t des Evangelikalismus war auch fĂŒr manche
Katholikinnen und Katholiken attraktiv, so etwa fĂŒr Donald Trumps Vize-
prÀsidenten Mike Pence. Dieser wuchs als Katholik auf, bekehrte sich aber
als Student auf evangelikale Art und Weise zu Jesus als seinem persönlichen
Erlöser. Bis Mitte der 1990er-Jahre siedelte er sich in einem konfessionel-
len Zwischenbereich an und bezeichnete sich als âevangelikaler Katholikâ
(Coppins 2018), ein Begriff, der aus theologischer Sicht streng genommen
ein Oxymoron (âhölzernes Eisenâ) darstellt. Seine Rolle als ĂŒberzeugter
Evangelikaler und devoter VizeprÀsident in Trumps Regierung stellt zwei-
fellos âeinen Segen fĂŒr die Religiöse Rechteâ (Coppins 2018) dar.
Die groĂe Mehrheit der US-amerikanischen Evangelikalen steht der Re-
publikanischen Partei wesentlich nÀher als den Demokraten. Aber es gibt
auch Ausnahmen, den ehemaligen US-PrÀsidenten und Friedensnobel-
preistrÀger Jimmy Carter zum Beispiel und den evangelikalen Geistlichen
Die gefĂŒhlsbetonte SpiritualitĂ€t des Evangelikalismus war
auch fĂŒr manche Katholikinnen und Katholiken attraktiv.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 2:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 2:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 194
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven