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Franz Gmainer-Pranzl | â... mit dem menschengeschlecht und seiner Geschichte wirklich innigst verbunden ...â
ermunterte, âsich selbst zu verlieren, um sich zu findenâ (Pieris 1986a, 74),
ist die Kirche dazu berufen, in den Strom âder asiatischen Armenâ und âder
religiösen Asiatenâ (ebd., 78) einzutauchen. Mit echter AutoritĂ€t, so Pieris,
sprechen jene Ortskirchen in Asien, die âim Jordan asiatischer ReligiositĂ€t
und auf dem Kalvaria asiatischer Armutâ (ebd.) getauft wurden. Dies be-
deute fĂŒr die Kirche schlieĂlich auch, auf Macht und Geld zu verzichten und
ihre âFurcht vor dem Verlust ihrer IdentitĂ€tâ (Pieris 1986b, 160) zu ĂŒber-
winden: âDie Theologie der Macht-Beherrschung und der Dienstbarma-
chung muss einer Theologie der Demut, der Versenkung und der Teilhabe
Platz machenâ (ebd.), betont ein maĂgeblicher Vordenker der Theologie im
asiatischen Kontext, der dazu beigetragen hat, das VerstÀndnis von Kirche
im Allgemeinen und von Mission im Speziellen als âKenosisâ zu verstehen.
So wie sich Christus entsprechend der Vorstellung von PhilÂ
2,7 âselbst ent-
Ă€uĂerteâ, leer wurde und sich nicht an der Seinsweise Gottes âfestkrallteâ,
so sollte sich auch die Kirche âin die Welt verlierenâ, ihrer Macht und Iden-
titĂ€t âleerâ werden â und gerade so zum Sakrament des Heils fĂŒr die Welt
werden. Gewiss sollte der Begriff âKenosisâ nicht zu leichtfertig verwendet
werden â denn Selbst-EntĂ€uĂerung ist eine ungemein radikale Form der
Hingabe â und auch nicht aus dem christologischen Zusammenhang un-
gebrochen auf ekklesiologische Diskurse ĂŒbertragen werden â denn âKeno-
sisâ kann nicht einfach selbstverstĂ€ndlicher Aspekt kirchlicher Strukturen
sein; dennoch kann der Hinweis auf den kenotischen Charakter der kirch-
lichen Existenz einen Bewusstwerdungsprozess â und vielleicht sogar eine
Dynamik der VerĂ€nderung â anstoĂen, der die Kirche nicht als âLehrmeis-
terinâ, sondern als Begleiterin der Menschen âdieser Zeitâ (GSÂ
46) begreift;
kirchliche Existenz wird weniger in medialer Inszenierung als in konkreter
Praxis, weniger in identitÀrer Selbstbehauptung als in gelebter SolidaritÀt,
weniger in den Zentren als in der Peripherie gelebt werden.
Margit Eckholt beschrieb diese welt-kirchliche bzw. kenotische Lebens-
form der Kirche treffend:
âMission, das ist nicht die âBekehrung der anderenâ, sondern das heiĂt,
hinauszugehen, um bei den Menschen zu sein, auf der StraĂe, und hier,
in der FragilitÀt und FluiditÀt des Lebens, in aller Not, allem Leid, bei den
Migranten in Lampedusa, den FlĂŒchtlingen aus den vielen Kriegsgebie-
Kirchliche Existenz ist weniger in medialer Inszenierung als in konkreter Praxis,
weniger in identitÀrer Selbstbehauptung als in gelebter SolidaritÀt zu finden.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 2:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 2:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 194
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven