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rita Perintfalvi | Widerstand gegen rechtspopulismus im namen der Zivilisation der liebe
be mitzuarbeiten. Die Zivilisation der Liebe kennt aber keine Abwertung der
„anderen“. Die theologische Ethik, die die christliche Anthropologie ernst
nimmt, ist an sich ein Aufruf zum Widerstand gegen die nationalistische,
exklusive Politik eines einzigen „Volkes“.
Im Namen der universalen Liebe muss eine aufgeklärte Religion unbedingt
auf der Seite der Opfer stehen, wenn es um die Verletzung der Menschen-
rechte, um Gewalt und Ungerechtigkeit geht. Das wäre eine gute Chance für
die Kirche, als wirksame zivilgesellschaftliche Akteurin zu handeln, wo-
durch sie ihre Glaubwürdigkeit und ihr gesellschaftliches Ansehen verbes-
sern könnte. Genau das Gegenteil geschieht zurzeit in vielen postkommu-
nistischen Ländern.
Die Kirche muss den Weg des prophetischen Widerstandes gehen, auch
dann, wenn es gefährlich wird – wie Gustavo Gutiérrez die Relevanz der
Orthopraxie in der Theologie so oft betont hat. Nach ihm sollte die Kir-
che ständig nach den „Zeichen der Zeit“ (Gaudium et Spes 4) forschen und
dementsprechend befreiend handeln (vgl. Gustavo Gutiérrez, Theologie der
Befreiung, München 1973, 83). In der Epoche des Rechtspopulismus ist der
kompromisslose Widerstand gegen menschenverachtende Tendenzen als
prophetisches „Zeichen der Zeit“ zu betrachten.
Was ist die prophetische Aufgabe der Kirche und der ChristInnen in einer so
schweren Zeit wie heute? Ich zitiere den ungarischen Bischof Asztrik Várs-
zegi, der folgende Gedanken schon 1990, direkt nach der Wende, geäußert
hat:
„Viele behaupten, dass sie Angst vor einem katholischen oder christli-
chen Kurs haben, vor einer Kirche, die mit Staatsmacht und Politik ver-
flochten ist, was es einst in der Zwischenkriegszeit schon gab. Wir sollen
diesen christlichen Kurs, diesen katholischen Kurs in jedem Detail ab-
lehnen. Wir wollen keine mit Staat und Politik verflochtene Macht, die
Kirche wünscht sich keine Macht, die Kirche will Freiheit bringen.“ (Új
Ember, 3. Juni 1990)
In der Zeit unserer Hoffnungslosigkeit und Ängste können uns die Worte
des Hl. Óscar Romero ermutigen:
Was ist die prophetische Aufgabe der Kirche
und der ChristInnen in dieser schweren Zeit?
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 2:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 2:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 194
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven