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Richard Sturn | Generationengerechtigkeit, Generationenvertrag und Entsolidarisierung
fen sind, deren Wirkmacht von Autoren wie Charles Taylor (1989,
ch. 9) eindrücklich dargestellt wurde. (2) Sie sensibilisieren alle
im Hinblick auf die Gefahren der Herauslösung lokaler Gerechtig-
keitsfragen aus einem größeren Kontext.
̟ Anderseits aber beruht die Unterschiedlichkeit dieser Prinzipien
zum Teil auf unterschiedlichen normativen Intuitionen, die je für
sich gewissen Begründungsversuchen zugänglich sind, aber auch
zu jenen Paradoxa führen, die insbesondere aus kritischen Erörte-
rungen des Utilitarismus (z. B. Sen 1982, 339ff.) gut bekannt sind.
Aufgrund dieser Gemeinsamkeiten und Unterschiede ermöglicht dieser
Horizont insgesamt einen klaren Blick auf drei Gefahren, welche potentiell
zerstörerische Wirkungen auf einen praxisrelevanten Diskurs um inter-
generative Gerechtigkeit entfalten können und verschiedentlich entfaltet
haben.
̟ Perfektionismus-Falle: Enttäuschung über das Zurückbleiben der
Wirklichkeit hinter perfektionistischen normativen Ansprüchen ist
unvermeidlich, wenn man sich nicht die Schwierigkeit vor Augen
führt, alle normativen Intuitionen in einer real existierenden Ge-
sellschaft gleichzeitig kohärent zu erfüllen.
̟ Individualistischer Reduktionismus: Durch Gegenüberstellung mit
den erwähnten Ansätzen der Verteilungsgerechtigkeit wird unmit-
telbar deutlich, dass der normative Individualismus in eine gerech-
tigkeitstheoretische Sackgasse führt. Hier wurde dies „immanent“
anhand der Unmöglichkeit illustriert, auf Basis einer unter den üb-
lichen „individualistischen“ ökonomischen Annahmen erstellten
Kosten-Nutzen-Analyse schlüssig klimapolitische Maßnahmen zu
rechtfertigen, deren Nutzen großteils erst in weiter Zukunft anfällt.
̟ Lokale Gerechtigkeitsintuitionen: Durch Gegenüberstellung mit
den erwähnten Ansätzen der Verteilungsgerechtigkeit wird un-
mittelbar deutlich, dass die Mobilisierung der normativen Intuiti-
onen rund um lokale Gerechtigkeitsprobleme problematisch sein
kann, wenn sie einen größeren verteilungspolitischen Zusammen-
hang konterkarieren. Hier wurde dies anhand politischer Strategi-
en illustriert, welche lokale Gerechtigkeitsintuitionen bestimmter
Drei Gefahren für einen praxisrelevanten Diskurs
um intergenerative Gerechtigkeit
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 3:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 222
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven