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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:1
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44 | www.limina-graz.eu Jochen Ostheimer | Den eigenen Untergang erzählen, um ihn zu verhindern Rückwirkungen von Handlungsfolgen auf die eigene Struktur und das eige- ne Selbstverständnis nachdenkt. Ausgehend von dieser Beobachtung wird im Folgenden näher betrachtet, wie im gesellschaftlichen Anthropozändiskurs Zukunft mittels narrativer Mittel gestaltet wird.2 Auch wenn dieser Diskurs eine starke wissenschaft- liche Verankerung hat, ist er doch als eine Form der öffentlichen Kom- munikation anzusehen und als solcher zu behandeln. Aus der Vielfalt an Beispielen werden zwei Aspekte herausgegriffen. Zum einen wird nachge- zeichnet, welche verschiedenen Versionen vom Klimawandel erzählt wer- den und welche Auswirkungen auf das Entwerfen politischer Handlungs- programme dies hat. Zum anderen wird analysiert, wie in der Klimafor- schung im Modus von Szenarien Zukunft konzipiert wird und inwiefern die Arbeit mit Szenarien als Kulturtechnik der entwickelten Moderne ein spe- zifisches Zeitregime voraussetzt. Damit werden mit Blick auf die narrative Gestaltung von Zukunftsvorstellungen im Anthropozän exemplarisch ein Diskurs und eine Methode analysiert. Klimaerzählungen Die Formulierungen „Klimawandel“ und „Erderwärmung“ gelten für gewöhnlich als synonym. Diese Gleichsetzung ist indes alles andere als selbstverständlich, wie ein Rückblick auf die Klimaforschung und die öf- fentliche Thematisierung des Klimawandels in den vergangenen rund 150 Jahren zeigt. In einer gewissen idealtypischen Vereinfachung lassen sich fünf Varianten unterscheiden, wie die Lage der kommenden Generationen dargestellt wurde und wird (vgl. Viehöver 2012b). Sie wurden und werden nicht allein in einem wissenschaftlich-sachlichen Format diskutiert, son- dern vielfach mit Bildern und plastischen Zukunftsvisionen versehen und in Erzählungen eingebettet, die bestimmte Ursache-Wirkungs-Folgen akzentuieren. Beinahe alle Versionen besitzen dabei eine ausgeprägte il- lokutionäre Dimension. Sie stellen also nicht einfach einen zukünftigen Entwicklungsverlauf dar, sondern verbinden ihn mit einer Bewertung, die ihrerseits wiederum Rückwirkungen auf das je aktuelle Handeln hat. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entspannen sich erste inten- sive wissenschaftliche und teils auch öffentliche Diskussionen über das 2 Diskurse werden in einer ersten Näherung als „institutionalisierte Bedeutungssysteme“ (Keller 2009, 39) verstanden, als „abgrenzba- re, strukturierte Ensembles von sprach-, bild- und handlungsförmig vorliegenden sinnstiftenden Ein- heiten, die in einem spezifischen Set von Praktiken produziert, repro- duziert und transformiert werden. Sie verleihen physikalischen und sozialen Phänomenen Bedeutung und konstituieren dadurch deren Realität“ (ebd. 44, i. O. z. T. herv.). Unter Erzählungen oder Narratio- nen werden textuelle Darstellungen sinnhaft verknüpfter Ereignisse und Handlungen verstanden, wobei der hier zugrunde gelegte weite Textbe- griff mündliche, schriftliche, grafi- sche, bildhafte, filmische und gesti- sche Ausdrucksformen umfasst; vgl. Viehöver 2012a, 66–67. Wie wird im Anthropozändiskurs Zukunft narrativ gestaltet?
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:1
Title
Limina
Subtitle
Grazer theologische Perspektiven
Volume
3:1
Editor
Karl Franzens University Graz
Date
2020
Language
German
License
CC BY-NC 4.0
Size
21.4 x 30.1 cm
Pages
222
Categories
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