Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Zeitschriften
LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:1
Page - 57 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 57 - in Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:1

Image of the Page - 57 -

Image of the Page - 57 - in Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:1

Text of the Page - 57 -

57 | www.limina-graz.eu Jochen Ostheimer | Den eigenen Untergang erzählen, um ihn zu verhindern mann 2013, 48) In dieser Epoche entstand das Konzept der Geschichte im Singular als eines abstrakten, singulären, einheitlichen und vereinheitli- chenden Prozesses im Unterschied zu den vielen konkreten, meist exemp- larischen und instruktiven Geschichten, und parallel dazu trat an die Stelle des konkreten und anschaulichen Zukünftigen die abstrakte Zukunft, die nicht mehr auf ein Telos zulief, sondern vom Fortschritt angetrieben war. Geschichte als das Vergehen der Zeit, in dem die vielen Ereignisse stattfin- den, wurde nicht mehr als Wiederholung von Bekanntem gedacht, sondern öffnete sich dem Neuen und weckte Neugier. Das moderne Zeitverständnis machte es sich zum Motto, „die Vergangen- heit hinter sich zu lassen, eine Gegenwart des reinen Übergangs zu durch- laufen und sich die Zukunft als Möglichkeitshorizont zu erschließen“ (Gumbrecht 2012, 305). Geschichte war da, um gemacht zu werden, Zu- kunft war der Gegenstand autonomer menschlicher Planung. Wandel und Veränderung wurden nicht mehr als Problem, sondern als eine wichtige kulturelle Ressource begriffen (vgl. Assmann 2013, 23). Damit war ein Zeit- regime entstanden, das die „Selbstermächtigung und Weltbemächtigung [des Menschen] unterstützt und legitimiert“ (Assmann 2013, 245). In dieser Konstellation lässt sich Zukunft in die Form eines Szenarios brin- gen. Im Szenario wird nicht wie im Orakel der schon feststehende, aber noch unbekannte Verlauf kommender Ereignisse gelesen, sondern der Zu- kunftsraum wird mit Möglichkeiten gefüllt. In der vergleichenden Betrach- tung diverser Zukunftsentwürfe können deren Wünsch- und Machbarkeit abgeschätzt und entsprechende Handlungsprogramme konzipiert werden. Seit dem Ende des 20. Jahrhunderts hat sich, so die These von Assmann (2013, 245–324), das Zeitregime der Moderne nochmals gewandelt. Die Orientierung an der Zukunft büßt ihre Ausschließlichkeit ein, das Fort- schrittsparadigma verliert seine Kraft, die Vergangenheit von der Gegen- wart vollständig abzutrennen und als etwas Abgeschlossenes hinter sich zu lassen. Im Zeitraum von der Neuzeit bis in die 1980er-Jahre war die Zukunft das Reich der Projekte der vorausschauend-planenden Vernunft und das Land der Verheißung, in dem Utopien angesiedelt werden konnten, die eine Strahlkraft für je gegenwärtige Entscheidungen entfalteten. Heute Im Zeitregime der Moderne war die Zukunft ein Möglichkeitshorizont. Heute verschwimmt die Zukunft hinter einem Schleier der Komplexität.
back to the  book Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:1"
Limina Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:1
Title
Limina
Subtitle
Grazer theologische Perspektiven
Volume
3:1
Editor
Karl Franzens University Graz
Date
2020
Language
German
License
CC BY-NC 4.0
Size
21.4 x 30.1 cm
Pages
222
Categories
Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Limina