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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:1
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65 | www.limina-graz.eu Şenol Yaĝdı | Von der Bildungsferne zum Bildungsaufstieg Demnach weist auch die Weitergabe der Tradition an die jeweils nächste Generation Diskontinuitäten auf, die nicht zuletzt durch die Migrations- erfahrungen und die Notwendigkeit induziert sind, sich in der Aufnahme- gesellschaft zu orientieren und handlungsfähig zu bleiben oder zu werden. In die intergenerationellen Transmissionsprozesse (Weitergabe habitu- eller Einstellungen und Grundhaltungen) sind deshalb Differenzen einge- schrieben, die in Familien mit Migrationshintergrund zu konfligierenden Einstellungs- und Handlungsoptionen führen können, deren Bearbeitung für den Familienzusammenhalt als nötig erscheint. Mit Blick auf das dritte Moment, das Verhältnis von Religion, Migration und Zielgesellschaft, formuliert Freise: „In der Ankunftsgesellschaft verändert sich die persönliche Religiosität ebenso wie die institutionalisierte Form einer Religion. Eine große Be- deutung hat die Aufnahmegesellschaft mit der Art und Weise, wie sie Menschen mit ihren religiösen Gewohnheiten und Gebräuchen auf- nimmt.“ (Freise 2017, 73) Auch die inkorporierte und ins Zielland mitgebrachte Religion bleibt auf dem Weg in die neue Gesellschaft, deren Praktiken von den gewohnten Re- geln des Zusammenlebens abweichen, nicht unbeeinflusst. Sie wird ebenso in die Transformationsprozesse hineingezogen wie die Identitäts- und die Traditionsbildung. Damit ist knapp der begriffliche Rahmen von Identität, Tradition und Re- ligion erläutert. Im Folgenden werden die Eckpunkte dieses Artikels dar- gelegt. Er basiert auf den Ergebnissen einer umfangreichen qualitativen Studie, in deren Rahmen leitfadengestützte Interviews mit türkischstäm- migen, an Wiener Universitäten Studierenden der zweiten Generation1 aus einem bildungsfernen Elternhaus durchgeführt wurden (vgl. Yagdi 2019). Im Zentrum des Interesses stehen dabei die Handlungsstrategien der Stu- dierenden und die Bedingungen, die zu ihrem Bildungsaufstieg2 geführt haben. Dessen Einflussfaktoren, Probleme und Herausforderungen werden aus einer ressourcenorientierten Perspektive untersucht. Als theoretische Grundlage der Studie dient Bourdieus Kapitaltheorie, mit deren zentralen Konzepten der Kapitalsorten und des Habitus ein diffe- renziertes Bild des Bildungsaufstiegs im Kontext von Migration und den damit verbundenen sozialen Prozessen gezeichnet werden kann. Mithil- fe des Konzepts der Habitustransformation3 und eines migrationsspezi- fischen kulturellen Kapitals wird die Dynamik der Veränderungsprozesse analysiert und versucht, den über den Bildungsaufstieg erreichten sozialen 1 „Zweite Generation“ bezieht sich auf Kinder mit Migrationshinter- grund, die in Österreich geboren sind oder hier eine formale schuli- sche Laufbahn (Volksschule, Mittel- schule/Gymnasium etc.) absolviert und anschließend die Hochschul- zugangsberechtigung an Wiener Universitäten erworben haben. Das Kriterium der Zugehörigkeit ist da- durch erfüllt, dass alle Interviewten ihre Sozialisation im österreichi- schen Schulsystem spätestens ab der Volksschule begonnen haben. 2 Unter „Bildungsaufstieg“ wird das Erreichen eines höheren for- malen Bildungsabschlusses im Ver- gleich zur Elterngeneration verstan- den, die aus einem bildungsfernen Milieu aus ländlichen Gebieten der Türkei als GastarbeiterInnen von Österreich angeworben wurde. Eng damit verbunden sind ein sozialer Aufstieg der zweiten Generation und der Zugang zu besseren beruflichen Positionen. 3 Die Auffassung des Habitus als statisches Konzept, das ausschließ- lich die Reproduktion der sozialen
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:1
Title
Limina
Subtitle
Grazer theologische Perspektiven
Volume
3:1
Editor
Karl Franzens University Graz
Date
2020
Language
German
License
CC BY-NC 4.0
Size
21.4 x 30.1 cm
Pages
222
Categories
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