Page - 69 - in Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:1
Image of the Page - 69 -
Text of the Page - 69 -
69 | www.limina-graz.eu
Şenol Yaĝdı | Von der Bildungsferne zum Bildungsaufstieg
Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund erwerben diese Fähig-
keiten einerseits durch ihre Sozialisation im Elternhaus und die Transmis-
sion von Bildungsaufträgen, andererseits auch durch eigene biographische
Erfahrungen und die dadurch initiierte Habitustransformation. Die so ent-
wickelte kritische Reflexivität ermöglicht es den Studierenden, zwischen
familialen, gesellschaftlichen und individuellen Wünschen, Vorstellungen
und Vorgaben zu verhandeln – was durchaus mit Ambivalenzen einher-
geht. Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund werden hohe
Transformations- und Integrationsleistungen abverlangt. Ihre Bildungs-
aufstiege zeigen aber, dass es möglich ist, herkunfts- und strukturbedingte
Benachteiligungen zu überwinden. Die Herkunftsbedingungen bildungs-
ferner Milieus können durch den Bildungsaufstieg transformiert werden,
was den Studierenden einen sozialen Aufstieg und bessere Zukunftschan-
cen bietet. Im Zuge dessen kann es zu einer (kulturellen) Distanzierung
vom ursprünglichen sozialen Umfeld kommen. Viele der interviewten Stu-
dierenden betonen jedoch, dass sie sich insbesondere von der Familie we-
der emotional noch räumlich entfernen wollen, was als ein Ausfluss ihrer
kritischen Reflexionsfähigkeit gelten kann, die mit dem Bildungsaufstieg
und der Transformation des Habitus erworben wird.
Tepecik (2011) verweist darauf, dass MigrantInnen8 trotz eines bildungs-
fernen Elternhauses auf spezifische Ressourcen eines migrantenspezifi-
schen Bildungskapitals zurückgreifen können, die ihnen den Bildungsauf-
stieg ermöglichen:
„Die Analyse der Lebensgeschichten von bildungserfolgreichen Migran-
tInnen verweist unter anderem auf die Bedeutung von innerfamilialen
Ressourcen und der Vermittlung eines migrantenspezifischen Bildungs-
kapitals bzw. inkorporierten kulturellen Kapitals in den Herkunftsfami-
lien, das sich forcierend auf den Bildungserfolg der Nachkommen aus-
wirkt. Diese Ressourcen werden von den bildungserfolgreichen Migran-
tInnen aktiv ausgewählt und im Prozess des Bildungsaufstiegs effektiv
genutzt.“ (Tepecik 2011, 40)
Dieses migrantenspezifische Kapital, das für den Bildungsaufstieg der
zweiten Generation zentral ist, ist in den Migrationserfahrungen begrün-
det und äußert sich in einem hohen Stellenwert von Bildung in der Fami-
Ein migrantenspezifisches Bildungskapital in den
Herkunftsfamilien ist für den Bildungsaufstieg zentral.
8 Insbesondere für den österrei-
chischen Kontext vgl. Kircil (2015,
2016) und Weiss (2007).
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 3:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 222
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven