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Şenol Yaĝdı | Von der Bildungsferne zum Bildungsaufstieg
Die LehrerInnen können zu Brückenbauern werden, indem sie die Defizite
der Kinder durch Förderung und Unterstützung auszugleichen versuchen.
Dies setzt eine Wahrnehmungskompetenz für die spezifischen Bedürfnis-
se von Kindern mit Migrationshintergrund aus einem bildungsfernen El-
ternhaus voraus. Die Eltern erwarten oft von den Lehrkräften, Bildung für
ihre Kinder bereitzustellen, da sie selbst nicht über die nötigen Ressourcen
verfügen. Dabei spielt das traditionell hohe Ansehen des Lehrberufs in bil-
dungsfernen Migrantenschichten eine Rolle, da türkische Eltern, bedingt
durch Gewohnheiten ihres Herkunftslands, von den Lehrkräften oft eine
über die Bildungsfunktion hinausgehende Erziehungsfunktion erwarten
(vgl. Tepecik 2011, 290–291; Mafaalani 2012, 132).
Umgang mit Ausgrenzungs- und Diskriminierungserfahrungen
Für die Studierenden gehören Benachteiligungen im schulischen, beruf-
lichen oder öffentlichen Bereich zu ihren Grunderfahrungen. Eine bedeu-
tende Rolle kommt hierbei insbesondere der Entwicklung eines adäquaten
Umgangs mit Ausgrenzungs- und Diskriminierungserfahrungen zu.
Diskriminierung beginnt vielfach mit einer Ausgrenzung seitens der auto-
chthonen MitschülerInnen, was sich auf die Lernmotivation auswirken
kann. Während Ausgrenzungs- oder Diskriminierungserfahrungen als de-
motivierend erlebt werden, werden Integration bzw. soziale Anerkennung
und Akzeptanz seitens der MitschülerInnen und LehrerInnen als wichtiger
Motivationsfaktor eingestuft.
Wenngleich Diskriminierungserfahrungen für den Bildungserfolg hinder-
lich sein können, betrachten sie einige Studierende als biographische Res-
source, da damit die eigene Leistungserbringung zu einer Strategie wird,
um die verwehrte Anerkennung doch zu erlangen. Dies bestätigt die An-
nahme von Tepecik, dass ein Bildungsaufstieg trotz Diskriminierungs-
erfahrungen gelingen kann, falls darauf nicht passiv reagiert wird, sondern
Strategien zu deren Überwindung entwickelt und die eigenen Potenziale
entfaltet werden (vgl. Tepecik 2011, 296).
Die stark biographisch geprägte Selbstreflexivität zeigt sich unter anderem
darin, dass die Interviewten der persönlichen Einstellung zu Bildung und
Benachteiligungen im schulischen, beruflichen oder öffentlichen
Bereich gehören zu den Grunderfahrungen der Interviewten.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 3:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 222
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven