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Şenol Yaĝdı | Von der Bildungsferne zum Bildungsaufstieg
„Religion und Tradition spielt gar keine Rolle. Es liegt daran, ich muss
gewisse Traditionen
… leider, leider Gottes, mich anpassen. Bei manchen
Traditionen. Ich bin leider kein Traditionsmensch. Was die Religion be-
trifft, habe ich meine eigene moderne […]. Meine Religion lerne ich di-
rekt aus meinen Büchern und bringe mir selber bei. Ich bin ein Gegner,
dass ich gewisse Lehren des Islam beanspruche und lerne. Diesen Fehler
habe ich in meinen Schuljahren gemacht. Ja, genau. Also ich würde sa-
gen, dass ich eher ein lockerer Mensch bin. Hinsichtlich Tradition und
Religion. Religion […] bestimmt aber in gewissen Teilen meines Lebens
meine Schritte. Sprich, es gibt immer wieder moralische Überlegungen,
wo ich auf meine Religion zurückführe. Ethische Überlegungen, wo ich
mir denke, dass ich ethisch und moralisch überlege, weil ich die Religion
besitze.“ (Mustafa, Z. 280–290)
Allerdings fordern einige Studierende eine kritische Reflexionsfähigkeit im
Umgang mit Religion und Tradition, um so ein vertieftes Verständnis der
eigenen Religion zu erreichen:
„Bildung für die Religion. Ja. Je mehr man liest zum Beispiel
… Wenn man
nicht gebildet ist, dann kann man ja auch nicht gut lesen und auch nicht
verstehen. Da hat man das Sprachverständnis auch nicht. Aber wenn
man liest und das Sprachverständnis, den Spracherwerb, das lernt man
ja. Man lernt vieles dazu. Und wenn man sich nicht weiterbildet, lernt
man auch in der Religion nicht viel dazu. Weil es gibt viel in der Religion
zu lernen. Und das sollte man dann auch schon ausnutzen, finde ich. Aber
ungebildete Menschen sagen immer, ich habe gehört, es ist so. Und ich
habe gehört, das ist haram oder das ist … Das ist halt Sünde. Obwohl es
nicht so ist. […] mir ist es auch mal passiert, dass mir jemand gesagt hat,
trage das nicht so, es ist Sünde. Obwohl es war nicht so. Es war wirklich
eine Kleinigkeit. Und sagen immer zu allem, es ist Sünde. Und ich meine,
wenn man sich nicht weiterbildet, bleibt man auch bei diesem Stand.“
(Sultan, Z. 346–356)
Es kann somit gezeigt werden, dass die Studierenden einen kritischen Zu-
gang zur eigenen Tradition sowie zur Religion als unentbehrlich betrach-
ten und auf dieser Basis ein harmonisches Verhältnis zur österreichischen
Gesellschaft aufzubauen suchen. Religion und Tradition kommen auf den
unterschiedlichen Lebenswegen verschiedene Gewichtungen zu, ins-
besondere religiöse Haltungen sind jedoch durch kritische Reflexion be-
Die Studierenden betrachten einen kritischen Zugang
zur eigenen Tradition sowie zur Religion als unentbehrlich.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 3:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 222
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven