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Edith Petschnigg | Generationen im jĂĽdisch-christlichen Dialog seit 1945
̟ die Christlich-Jüdische Sommeruniversität in Berlin (seit 1987): Ein
weiterer Ort, an dem der jĂĽdisch-christliche Dialog Verwirklichung
fand, war das Institut Kirche und Judentum an der Berliner Hum-
boldt-Universität unter der mehr als drei Jahrzehnte währenden
Leitung des evangelischen Neutestamentlers Peter von der Osten-
Sacken. Seit 1987 findet auf seine Initiative hin eine internationale
jĂĽdisch-christliche Studienwoche statt. Die in der Regel im Zwei-
Jahres-Rhythmus stattfindende Sommeruniversität wurde nach der
Pensionierung von Peter von der Osten-Sacken im Jahr 2007 mit
strukturellen Veränderungen fortgeführt, wobei die Beschäftigung
mit biblischen Texten durch alle Sommeruniversitäten hindurch
präsent blieb.
Sowohl schriftliche Quellen als auch 115 Oral-History-Interviews mit Initi-
atorInnen, ReferentInnen und TeilnehmerInnen dieser Initiativen dienten
als Grundlage der historisch-theologischen Analyse der vier ausgewählten
Dialoginitiativen. Es wurde darauf geachtet, möglichst Teilnehmende und
Vortragende aus allen vier Dialoginitiativen in quantitativ ähnlicher Stärke
zu Wort kommen zu lassen. DarĂĽber hinaus war fĂĽr die Wahl der Interview-
partnerInnen wesentlich, dass sowohl jĂĽdische als auch christliche Stimmen
im ausgewählten Personenkreis repräsentiert sind.2 Einige dieser Stimmen
sollen im Folgenden zu Gehör gebracht werden, um der Frage nach der Ge-
nerationenbildung im jĂĽdisch-christlichen Dialog auf die Spur zu kommen.
Die erste Dialoggeneration
Nach der Schoah war das Zustandekommen einer jĂĽdisch-christlichen Be-
gegnung in Deutschland und Österreich alles andere als selbstverständlich.
Galt dem Religionshistoriker Gershom Scholem das deutsch-jĂĽdische Ge-
spräch als „Mythos“, das er in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg als in
seinen Anfängen erstorben, als nie zustande gekommen ansah (vgl. Scho-
lem 1964), ist es umso bemerkenswerter, dass dieses in den Nachkriegs-
jahrzehnten letztendlich trotz – oder gerade wegen – der Last der Ge-
schichte an manchen Orten Deutschlands Gestalt annahm. Ähnliches gilt
mit zeitlicher Verzögerung für Österreich. Erst ein gemeinsamer themati-
scher Ausgangspunkt – die Hebräische Bibel als verbindende Gesprächs-
grundlage – machte jüdisch-christliche Zusammenkünfte in diesen Län-
dern überhaupt möglich.
2 Alle Interviews wurden von der
Verfasserin im Rahmen des FWF-
Projektes durchgefĂĽhrt, transkri-
biert und ausgewertet.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 3:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 222
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven