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Roberta Maierhofer | „Clash of Generations“ oder gelebte Intergenerationalität: Visages Villages (FR 2017)
die Dokumentation bieten dem Publikum zudem jene Offenheit, jene Teil-
habe, die eigene Zugänge ermöglicht.
Indem der Film die Entstehung der fĂĽr das Projekt gemachten Fotos doku-
mentiert, gelangt der Prozess der kulturellen Repräsentation selbst in den
Fokus der Aufmerksamkeit. Die mediale Verschiedenheit von Foto und Film
wird genützt, um das „Gestaltetsein“ offenbar zu machen. Was als Foto –
Poster – dann „essentiell“ gegeben erscheint, wird im Film als entstanden,
abgesprochen, hergestellt, verhandelt gezeigt. Da mit den Abgebildeten vor
der Kamera auch über ihre Lebenssituation gesprochen wird, erhält das
Foto neben dem bildhaften Inhalt zudem einen „erzählten“ Inhalt, so dass
das Werk eine (Mehr)Dimensionalität gewinnt und „erzählerisch“ Ereignis
und Kontinuität verbindet, was im Film etwa dadurch thematisiert wird,
dass Varda auf der Reise ihren Freund aus vergangenen Jahren, Jean-Luc
Godard, besuchen möchte, aber vor der nicht geöffneten Tür stehen muss
und nur eine kleine – erboste – Notiz hinterlassen kann. Obwohl in diesem
Fall Varda mit einem Bruch in der Kontinuität durch Godard konfrontiert
ist, belegt die Integration dieser einzelnen Sequenz in den Film das Bestre-
ben nach einer Kontinuität zumindest aus Vardas Sicht.
Altern/Alter und Erinnerung
Der gegenständliche Aspekt des Kunstwerks hat mit der menschlichen Fä-
higkeit sich zu erinnern zu tun, der „Notfall der Inspiration“ drängt da-
rauf, das Erleben in einer Form festzuhalten, gleichsam in Erinnerung zu
verwandeln. Erinnerung ist zudem ein Thema, das sich im Alter/beim Al-
tern stellt, gleichsam als Form fĂĽr die vergangenen Jahre.
Da es in Visages Villages sowohl um die Repräsentation als auch um die Er-
fahrung humaner Existenz geht, handelt der Film fast notwendigerweise
vom Erinnern und von Erinnerungen. Während sich Vardas Film the Beaches
oF agnès (FR 2008) auf die Erinnerung als „Sand in meiner Hand“ kon
zen-
triert, bietet Visages Villages einen anderen Zugang: Durch das – intergene-
rationale – Kunstprojekt mit dem jungen Künstler JR kommt es zu einem
bejahenden Umgang mit Erinnerungen. Obgleich die Vergänglichkeit nicht
Die vielfältige Dimensionalität der Gegenwärtigkeit wird
zur Geltung gebracht: als Entstehung von Vergangenheit
und als Zugang zur Zukunft.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 3:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 222
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven