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Sonja Angelika Strube | Antimodernismus als Autoritarismus?
ihre Einbeziehung in Feierlichkeiten der Synode somit Götzenverehrung
und Götzendienst. Über Wochen berichteten einschlägige rechtskatholi-
sche Medien in zahllosen empörten Artikeln über dieses vermeintliche Sa-
krileg (kath.net z. B. bis Herbst 2020 in 27 Artikeln, 21 davon im Zeitraum
vom 21.10.2019 bis 25.11.2019).
Tiefpunkte der Auseinandersetzung waren der per Körperkamera doku-
mentierte und auf Youtube veröffentlichte Diebstahl der Figuren und ihre
Versenkung im Tiber durch einen österreichischen Studenten, Konvertiten
und Lebensschützer (vgl. Tück 2020) sowie eine von rechtskatholischen
Klerikern und Laien initiierte Unterschriftensammlung Contra Recentia Sa-
crilegia, die Papst Franziskus der Häresie und „sakrilegische[r] und aber-
gläubische[r] Handlungen“ bezichtigt (CRS 2019).
Exemplarisch analysiere ich im Folgenden unter sozialpsychologischen
Gesichtspunkten den Text der Unterschriftensammlung Contra Recentia
Sacrilegia (CRS) sowie die User-Kommentare zu zwei kath.net-Artikeln,
deren erster am 21. Oktober 2019 die eben bekannt gewordene Figurenver-
senkungsaktion erstmals meldet (kath.net 21.10.2019) und deren zweiter
dem Dieb, nachdem er sich geoutet hat, die Möglichkeit gibt, sich zu er-
klären (kath.net 4.11.2019).
Antimodernistischer Exklusivismus6 und die Skandalisierung
des Zweiten Vatikanums (Unterschriftensammlung CRS)
Die Unterschriftensammlung CRS ebenso wie die vorherrschende Bericht-
erstattung des rechtskatholischen Medienspektrums (z. B. kath.net, katho-
lisches.info, lifesitenews.com) ist in Bezug auf die Amazonassynode geprägt
durch ein beständiges Skandalisieren und Häretisieren des nur von ferne
und offenbar ohne Neugier und ohne den Versuch von Empathie beobach-
teten Ereignisses. Dass dieses lange geplant und theologisch wie organi-
satorisch von zahlreichen namhaften Bischöfen und Theolog*innen gut
vorbereitet war, wird geflissentlich übergangen; nach den Gründen für
seine Themen wie seine Gestaltung wird nicht gefragt. Eine journalistisch
verantwortete, die Beweggründe und Argumente der Gegenseite fair und in
deren eigenen Worten zum Ausdruck bringende Auseinandersetzung fin-
det im rechtskatholischen Medienspektrum in diesem Fall wie auch in aller
Regel nicht statt. Vielmehr ist das negative Urteil eilfertig gefällt, zumal
die Synode bereits im Vorfeld aus diversen anderen Gründen verschiedener
Häresien verdächtigt und auch Papst Franziskus selbst schon mehrfach aus
6 Gemeint ist hier das vorkonziliare
katholisch-theologische Konzept,
außerhalb der römisch-katholi-
schen Kirche gäbe es kein Heil („ex-
tra ecclesiam nulla salus“). Mit den
im Folgenden beschriebenen quali-
tativen Beobachtungen zu von theo-
logischem Exklusivismus geprägten
religiösen Stilen korrespondiert
Rebenstorfs quantitatives Ergebnis:
„Personen mit exklusivem reli-
giösem Wahrheitsanspruch lehnen
Angehörige aller drei Minderheiten-
gruppen [= jüdische, muslimische,
homosexuelle Menschen; Ergän-
zung Strube] in statistisch signifi-
kantem Maße überdurchschnittlich
häufig als Nachbarn ab, bei in-
klusivem Religionsanspruch ist die
Ablehnung unterdurchschnittlich.“
(2018, 323).
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 4:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 4:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 224
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven