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Sonja Angelika Strube | Antimodernismus als Autoritarismus?
verschiedenen Anlässen der Häresie bezichtigt wurde (vgl. Strube 2018a,
5–10; dies. 2019).
Die CRS-Protesterklärung gibt in ihrem Wortlaut preis, dass sie sich nicht
allein gegen eine vermeintliche ,sakrilegische Verehrung der Pachamama‘
während der Amazonassynode richtet, sondern diesen Vorwurf vor allem
zum Anlass nimmt, um das bereits am 4. Februar 2019 von Papst Franziskus
und dem Groß-Imam der Al-Azhar-Moschee in Kairo, Ahmad Mohammad
Al-Tayyeb, unterzeichnete Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen
für ein friedliches Zusammenleben in der Welt (vgl. Der Heilige Stuhl 2019)
der Häresie zu bezichtigen. Indem CRS behauptet, durch dieses Dokument
interreligiöser Verständigung sei die angeblich sakrilegische „Teilnahme
am Götzendienst“ der Eröffnungszeremonie der Synode bereits „vorweg-
genommen“ worden, konstruiert es die im Rahmen einer katholischen Bi-
schofssynode durchgeführte Zeremonie als ein außerhalb des Eigenen an-
zusiedelndes, gewissermaßen fremdreligiöses Geschehen.
In sozialpsychologischer Perspektive geschieht hier ein klassisches Othe-
ring, das Personen nach willkürlichen Kriterien als Fremdgruppe konstru-
iert und abwertet. Zugleich werden durch die Verschränkung der Ereignisse
alle interreligiösen Kooperationen und theologischen Verständigungen als
fundamentale Bedrohungen der eigenen Identität behauptet und abge-
lehnt.
Durch den Text von CRS zieht sich zudem die rhetorische Kontrastierung
der als „heidnische Göttin / Gottheit“, „falsche Göttin der Mutter Erde“,
„Götzenbilder“ und „Pachamama-Statuetten“ bezeichneten Figuren
einer seits mit religiösen Instanzen der katholischen Tradition wie „den
Gräbern der Märtyrer und der Peterskirche“, „dem Hauptaltar im Peters-
dom“ und „der Kirche Santa Maria in Traspontina“ andererseits, die in
Berichterstattung und User-Diskussionen der analysierten rechtskatholi-
schen Medien zusätzlich verbunden wird mit der Klassifizierung des vor-
geblich „Heidnischen“ als indigen und des Indigenen als „heidnisch“. Das
Othering, das im CRS-Text auf die Religion bezogen wird, indem die Zere-
monie der Amazonassynode als nicht der eigenen Religion zugehörig und
ihr auch nicht zuordnenbar angesehen wird, gewinnt innerhalb rechtska-
tholischer Medien eine explizit ethnozentrische Komponente.
In der Unterschriftensammlung Contra Recentia Sacrilegia geschieht
ein klassisches Othering mit explizit ethnozentrischer Komponente.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 4:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 4:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 224
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven