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Sonja Angelika Strube | Antimodernismus als Autoritarismus?
solche Religiosität stellt das Gegenteil all der verschiedenen religiösen
Haltungen dar, die mit wenig Vorurteiligkeit einhergehen: das Gegenteil
einer neugierig-offenen, suchenden und fragenden Quest-Spiritualität
ebenso wie das Gegenteil einer Haltung der Fairness, Toleranz und ratio-
nalen Wahl oder gar einer Haltung der Xenosophie. Sie bezeichnet vielmehr
exakt die Einstellungsmuster, die nachweislich mit höheren rassistischen
(vgl. Hall et al. 2010) und interreligiösen (vgl. Streib/Klein 2014) Vorurtei-
len einhergehen. Insofern und in dem Maße, wie die in CRS niedergelegten
Haltungen auf Aussagen lehramtlicher Texte des Antimodernismus zu-
rückgreifen können, spiegeln auch diese Texte aus sozialpsychologischer
Perspektive eine problematische Religiosität, die ihre Anhänger*innen zu
Einstellungen und Lebensauffassungen animiert, die mit höherer Vorur-
teiligkeit einhergehen. Man kann also sagen: Die im Antimodernismus be-
sonders hervorgehobenen Mosaikstücke aus dem großen Gesamtbild einer
zweitausendjährigen katholischen Tradition spiegeln offenbar eine Reli-
giosität, die laut Allport „Vorurteile erzeugt“.
Bereits im Skandalisieren, das CRS und verschiedene rechtskatholische
Medien betreiben, zeigt sich die von Adorno als Autoritarismus bezeichne-
te Prädisposition, insbesondere der Aspekt der „autoritären Aggression“
als einer Tendenz, nach Regelübertreter*innen Ausschau zu halten, „um
sie verurteilen, ablehnen und bestrafen zu können“ (Adorno 1995, 45). Im
letzten Abschnitt von CRS wird dieses autoritäre Strafbedürfnis religiös
überhöht und gleichermaßen verschleiert wie auf die Spitze getrieben. Ver-
packt in ein scheinbar fürbittendes Gebet, gerichtet an „den allmächtigen
Gott, den schuldigen Mitgliedern seiner Kirche auf Erden die Strafe zu er-
sparen, die sie für diese schrecklichen Sünden verdienen“, droht CRS mit
Gottes Strafe und Gericht, schließlich auch mit „ewiger Verdammnis“,
sofern Papst Franziskus nicht „öffentlich und eindeutig für diese objek-
tiv schwerwiegenden Sünden und für alle öffentlichen Handlungen, die er
gegen Gott und die wahre Religion begangen hat, Buße“ tue und „für diese
Straftaten Wiedergutmachung“ leiste.
Insofern sich in diesen Zeilen ebenso wie im gesamten Dokument eher eine
Haltung der eigenen Selbstgewissheit und Überhebung über andere nie-
derschlägt, als dass eine empathie
geleitete Angst um ihr Seelenheil spür-
bar würde, scheint das Bild Gottes als eines strengen und harten Richters
vor allem durch Strafbedürfnis und Straflust motiviert. Nicht die Angst vor
Autoritäres Strafbedürfnis, verpackt in ein scheinbar fürbittendes Gebet
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 4:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 4:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 224
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven