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Sonja Angelika Strube | Antimodernismus als Autoritarismus?
in die Nähe des Blutzeugnisses gerückt und als Opfer – offen bleibt, von
was – dargestellt werden. Ebenso zitiert werden prophetische Verse sowie
Mahnungen aus den Paulusbriefen (Micha 1,7; Jes 45,20; Elija; auch Röm
1,25; 1 Kor 16,13; 1 Kor 14,22ff.), was eine solide Bibelkenntnis der Kom-
mentator*innen belegt und eine intrinsisch motivierte Religiosität vermu-
ten lässt.
Zahlreiche Kommentare werten die als „Pachamama“ identifizierten Figu-
ren und die Eröffnungszeremonie ab, indem sie beides ins Lächerliche zie-
hen: „Bauecke im Kindergarten“ (Kirchental), „Spielecke“ (Chris2), „Aber
das muss doch ein uraltes Ritual sein: ,Pachamama‘ wird mit dem Flussgott
,Tiberinus pater‘ vereint! Ein schönes Beispiel für amazonisch – römische
Inkulturation“ (buscar). Darin zeigt sich zum einen eine Abwehr empathi-
scher Regungen (Anti-Intrazeption nach Adorno), zum anderen eine Ab-
wertung des Fremden. Kontrastierend zur Abwertung indigener Symbole
und vermuteter religiöser Riten und Gewohnheiten der Amazonasregion
sowie generell anderer Religionen werden die als ,eigene‘ angesehenen
Glaubensinhalte und Symbole hochgeschätzt und einer ganz anderen,
höherwertigen Kategorie des Religiösen zugeordnet.7 Hier zeigt sich, wie
schon für CRS analysiert, ein Othering, das die Eröffnungszeremonie der
Amazonassynode scharf abgrenzt von dem, was von den User*innen als
wahrhaft katholisch akzeptiert wird.
Die Legende vom Fällen der Donar-Eiche durch Winfried Bonifatius avan-
ciert innerhalb der User-Diskussionen rasch zu einem zentralen Refe-
renzpunkt. User Wynfried postet in diesem Zusammenhang den Text eines
deutschen Kirchenliedes von 1778, das die Zerstörungstaten des Bonifatius
gegen die Heiden preist und Gottes Zorn ebenso benennt, wie es den Bei-
stand des Heiligen für Seele und Vaterland erfleht. Neben das Bild Gottes
als Richter tritt in diesem Text ein ausdrücklich auf den deutschen Sprach-
raum und seine Kultur bezogenes Motiv (Bonifatius als Apostel der Deut-
schen), das implizit mit der vermeintlich heidnischen indigenen Kultur
kontrastiert wird. Ein von User Frederico R. gepostetes Gebet zum Heiligen
Erzengel Michael (Schutzpatron Deutschlands) fleht in kämpferischen
Worten um Beistand gegen „die Bosheit und die Nachstellungen des Teu-
fels“ und bittet: „stoße den Satan und die anderen bösen Geister [...] durch
die Kraft Gottes in die Hölle“8. Was in Situationen existenzieller Bedrängnis
als Hilferuf eines ohnmächtigen Individuums gedeutet werden kann, wird
Abwehr empathischer Regungen und Abwertung des Fremden
7 Vgl. z. B. Stanley (21.10.2019):
„Das hätte man mit der Buddha-
Staue in Assisi auch tun sollen. Wir
erinnern mit Entsetzen, um auf
das interreligiöse Treffen 1986 in
Assisi zurückzukommen, an die
nach Stammesriten geschlachteten
Hühner auf dem Altar der Kirche der
Hl. Klara und den Schrein mit einer
Buddhastatue auf dem Altar der
Kirche des hl. Petrus über den Reli-
quien des Märtyrers Victorinus von
Amiterno, der 400 Jahre nach Chris-
tus ermordet wurde, weil er seinen
Glauben bezeugte.“
8 Frederico R. (21.20.2020):
„Whow – hat der Mann im Video
aber Courage. Aber er hat besten
Beistand. Ganz oben auf der Engels-
burg. Heiliger Erzengel Michael,
verteidige uns im Kampf. Gegen die
Bosheit und die Nachstellungen des
Teufels sei unser Schutz. Gott ge-
biete ihm, so bitten wir flehentlich.
Du aber, Fürst der Himmlischen
Heerscharen, stoße den Satan und
die anderen bösen Geister, die in der
Welt umhergehen, um die Seelen zu
verderben, durch die Kraft Gottes in
die Hölle. Amen.“
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 4:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 4:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 224
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven