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Wolfgang Benedek | Religiöser Fundamentalismus aus menschenrechtlicher Sicht
Nach dieser Studie gehört für eine Mehrheit der ÖsterreicherInnen der Is-
lam nicht zu Österreich, und fast die Hälfte der ÖsterreicherInnen sind der
Meinung, dass MuslimInnen nicht die gleichen Rechte haben sollen, was
den universellen Menschenrechten widersprechen würde. Zudem wün-
schen sich 80 Prozent, dass der Islam stärker beobachtet werden solle (vgl.
Aschauer et al. 2019).11
6 Die Diskussion um den politischen Islam
Tatsächlich wurde von der österreichischen Regierung im Jahr 2020 ein
Österreichischer Fonds zur Dokumentation von religiös motivierten politischen
Extremismus (Dokumentationsstelle Politischer Islam) eingerichtet, der als
wichtige Maßnahme im Kampf gegen den politischen Islam bezeichnet
wurde.12 Aufgrund ihrer Struktur als Fonds unterliegt die Dokumentations-
stelle nicht der parlamentarischen Kontrolle. Die Islamische Glaubensge-
meinschaft in Österreich (IGGÖ) lehnte eine Mitwirkung ab, da der Begriff
des politischen Islam unklar sei und die Befürchtung bestehe, dass hier
„eine Art Überwachungsapparat für die muslimische Bevölkerung“ ge-
plant sei, nachdem die Integrationsministerin von der Durchleuchtung
muslimischer Vereine und Strukturen gesprochen habe.13 Im Regierungs-
programm war noch von einer „Forschungs- und Dokumentationsstelle
für Antisemitismus, religiös motivierten politischen Extremismus (politi-
scher Islam) und Rassismus im 21. Jahrhundert“ die Rede gewesen.14 Da-
mit wurde einmal mehr der Fokus auf die Muslime gerichtet und zwar aus-
schließlich in der Perspektive der Abwehr islamistischer Tendenzen, nicht
jedoch eines antimuslimischen Rassismus. Die Aufgabenstellung bedeutet
eine Fokussierung auf den Islam, während andere Formen des religiös mo-
tivierten politischen Extremismus außer Betracht blieben.
Noch dazu geht es gar nicht nur um Extremismus, sondern um eine als
fundamentalistisch empfundene Entwicklung im mainstream des Islam
(vgl. Scholz/Heinisch 2019, 8; 24). In ihrem Buch Alles ist Allah richten Nina
Scholz und Heiko Heinisch – MitarbeiterInnen der Dokumentationsstelle
Politischer Islam und AutorInnen einer Studie für die Razzia gegen Muslim-
brüder – das Augenmerk nicht auf den gewalttätigen Islamismus, sondern
sie verwenden den Begriff für jede politische Beeinflussung der Gesellschaft
durch Muslime im Sinne islamischer Vorstellungen, zu welchem Zweck ein
Marsch durch die Institutionen befürchtet wird. Die gewaltfrei und lega-
listisch, das heißt im Rahmen der Gesetze vorgehenden Islamisten werden
11 Vgl. „Studie: Für Mehrheit ge-
hört der Islam nicht zu Österreich“,
Kurier vom 26.9.2019, https://kurier.
at/chronik/oesterreich/studie-fu-
er-mehrheit-gehoert-der-islam-
nicht-zu-oesterreich/400616777
[30.11.2020].
12 Bundeskanzleramt, „Integra-
tionsministerin Raab: Dokumenta-
tionsstelle Politischer Islam nimmt
Arbeit auf“, 15.7.2020, https://www.
bundeskanzleramt.gv.at/bundes-
kanzleramt/nachrichten-der-bun-
desregierung/2020/integrations-
ministerin-raab-dokumentations-
stelle-politischer-islam-nimmt-ar-
beit-auf.html [30.11.2020].
13 „IGGÖ lehnt Zusammenarbeit mit
‚Dokustelle Politischer Islam‘ ab“,
Die Presse vom 22.7.2020, https://
www.diepresse.com/5842768/
iggo-lehnt-zusammenarbeit-mit-
dokustelle-politischer-islam-ab
[30.11.2020].
14 Republik Österreich, Aus Ver-
antwortung für Österreich. Regie-
rungsprogramm 2020-2024, https://
www.bundeskanzleramt.gv.at/dam/
jcr:7b9e6755-2115-440c-b2ec-
cbf64a931aa8/RegProgramm-lang.
pdf [10.03.2021], 39.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 4:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 4:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 224
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven