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Wolfgang Benedek | Religiöser Fundamentalismus aus menschenrechtlicher Sicht
als eine „ebenso große, wenn nicht größere gesellschaftspolitische Aufga-
be“ gesehen als die gewaltbereiten Djihadisten. Die AutorInnen sehen per-
sonelle und organisatorische Verflechtungen zwischen dem gewaltfreien
und dem gewalttätigen Islamismus (vgl. Scholz/Heinisch 2019, 22; 35). Die
westlichen Freiheiten wĂĽrden genutzt, um die Sache der Muslime und des
Islam zu vertreten (vgl. Scholz/Heinisch 2019, 73). Das Kopftuch wird als
„Aushängeschild des politischen Islam“ charakterisiert (Scholz/Heinisch
2019, 217).
Die der Arbeit der Dokumentationsstelle Politischer Islam zugrundeliegen-
de Definition von „Politischer Islam“ wurde durch den Vorsitzenden des
wissenschaftlichen Beirates, Mouhanad Khorchide, in ihrer ersten Studie
präzisiert als
„Gesellschafts- und Herrschaftsideologie, die die Umgestaltung bzw.
Beeinflussung von Gesellschaft, Kultur, Staat oder Politik anhand von
solchen Werten und Normen anstrebt, die von deren Verfechtern als isla-
misch angesehen werden, die aber im Widerspruch zu den Grundsätzen
des demokratischen Rechtsstaates und den Menschenrechten stehen.“
(Khorchide 2020b, 4)
Zwar wird darauf hingewiesen, dass damit nicht die politische Partizipa-
tion bzw das gesellschaftliche Engagement von Muslimen, auch wenn die-
ses religiös begründet ist, gemeint ist, sondern nur, wenn dieses im Wi-
derspruch zum demokratischen Rechtsstaat und zu den Menschenrechten
sowie „den Grundlagen einer freien Gesellschaft“ steht (Khorchide 2020b,
10). Allerdings wird dazu auch der sog. „legalistische Islam“ gezählt, der
im Rahmen der bestehenden Gesetze handle, die bestehenden Verhältnisse
und Gesetze jedoch langfristig im Sinne der islamistischen Scharia verän-
dern wolle (Khorchide 2020b, 17). Es folgt eine im Wesentlichen auf einer
Arbeit von 2017 aufbauenden Darstellung der Muslimbruderschaft (vgl.
Vidino 2020), die, ohne wirkliche Beweise liefern zu können, solche Ver-
dachtsmomente am Beispiel Ă–sterreichs exemplifiziert (vgl. Winter 2021).
Dies zeigt, wie schwierig es ist, zu bestimmen, wann rechtskonformes Ver-
halten im Widerspruch zum demokratischen Rechtsstaat und zu den Men-
schenrechten steht. Dies läuft auf eine Überprüfung der Gesinnung hinaus,
was menschenrechtlich unzulässig ist.
Wann steht rechtskonformes Verhalten im Widerspruch zum
demokratischen Rechtsstaat und zu den Menschenrechten?
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 4:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 4:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 224
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven