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Christian Feichtinger | Reinheit und fundamentalistische GefÀhrdung
halten gegenĂŒber Schmutz ist eine Reaktion, die alle GegenstĂ€nde und
Vorstellungen verdammt, die die gÀngigen Klassifikationen durcheinan-
derbringen oder in Frage stellen könnten.â (Douglas 1998, 81â82)
FĂŒr Douglas bringen Kulturen notwendig bestimmte Ordnungssysteme
hervor, die helfen, die Welt interpretierbar zu machen und in ihr Orientie-
rung sicherzustellen. Auf diese Weise können Umwelt, Ereignisse, Hand-
lungen oder soziale Strukturen gedeutet, erklÀrt oder mit Sinn versehen
werden. Zwar nimmt jeder einzelne Mensch individuelle Deutungen der
Welt vor (und ordnet damit zugleich seine Erfahrungen), ist dabei jedoch
niemals von den sozialen Deutungsmustern seiner Umgebung unbeein-
flusst. Aber diese universelle menschliche Deutungspraxis hat einen Preis:
Kein Klassifikationssystem erfasst die Welt vollstaÌndig; es gibt immer
PhĂ€nomene, die sich der Ordnung entziehen und damit zu Anomalien â
oder einfach: Schmutz â werden. Diese stellen jedoch die PlausibilitĂ€t des
Ordnungssystems in Frage:
âIn jedem gegebenen Klassifikationssystem entstehen Anomalien, und
jede gegebene Kultur muss Ereignissen entgegentreten, die sich ihren
Annahmen zu widersetzen scheinen. Sie kann die Anomalien, die ihr
Schema hervorbringt, nicht ignorieren, wenn sie nicht riskieren will, das
in sie gesetzte Vertrauen zu verlieren. Darum, so meine ich, sind in je-
der Kultur, die diese Bezeichnung verdient, verschiedene Verfahren fĂŒr
den Umgang mit zweideutigen oder anomalen Ereignissen vorgesehen.â
(Douglas 1998, 82)
Ordnungssysteme bringen daher ihre je eigenen Anomalien bzw. das ver-
meintlich âUngeordneteâ erst durch ihre Kategoriensetzung hervor. Daher
mĂŒssen sie zugleich auch Handlungsoptionen entwickeln, wie mit solchen
Anomalien verfahren wird (vgl. Douglas 1985, 19). Die durch ein Ordnungs-
system entworfene Reinheit ist daher stets gefÀhrdet von jenen Anomalien
dieser Welt, die sie ex negativo erst hervorgebracht hat und deren Ausgren-
zung nie dauerhaft gelingt â daher der Titel Reinheit und GefĂ€hrdung. Ihre
Ăberlegungen fĂŒhren Douglas zu drei Pointen:
Ì Erstens lassen sich das Reine, Heilige, Geordnete und das Unreine,
Profane, Ungeordnete nicht in zwei getrennte Bereiche des Den-
Ordnungssysteme bringen ihre je eigenen Anomalien
erst durch ihre Kategoriensetzung hervor.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 4:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 4:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 224
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven