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Rita Perintfalvi | LGBTIQ-Menschen als Zielscheiben rechtspopulistischer und fundamentalistischer Angriffe
Kroatien oder der Slowakei. Nachdem die Flüchtlingskrise in Ungarn aber
seit 2017 in der Bevölkerung keine maßgebliche Angst mehr hervorrufen
konnte, begann die Regierung mit der Anti-Gender-Attacke, die bis heute
mit immer stärker werdender Intensität andauert. Bei dieser Debatte geht
es nicht bloß um einen klassischen konservativen Backlash gegen Gender
Equality und LGBTIQ-Equality, sondern um viel mehr: Der Prozess bedroht
den nach dem Zweiten Weltkrieg auf Grundlage der Menschenrechte ent-
standenen politischen Konsens. Da diese Art der Emotionalisierung der
Politik die oberflächlichen Vorurteile der Menschen geschickt ausnutzt,
werden LGBTIQ-Personen rasch und einfach zu konstruierende Zielschei-
ben politischer Angriffe.
Im zweiten Kapitel meines Aufsatzes werden zwei Beispiele analysiert, die
die Gefahr der neorechten Ideologie durch die politische Instrumentali-
sierung der aktuellen Pandemie-Krise aufzeigen. Die willkürlichen Ände-
rungen des ungarischen Grundgesetzes können als heftige Attacke gegen
trans- und intersexuelle Menschen interpretiert werden. Während die Re-
gierung durch diese Gesetzesänderungen die grundlegenden Menschen-
rechte zutiefst verletzte, argumentierte sie anstatt fachpolitisch-rational
vielmehr religiös-fundamentalistisch. So beweisen diese Beispiele, wie der
politische Autoritarismus die christliche Religiosität instrumentalisiert.
Zugleich bilden auch die ultrakonservativen bzw. fundamentalistisch-
kirchlichen Kreise sehr gerne strategische Allianzen mit der neorechten
Politik.
Die gesellschaftlichen Gefahren des religiösen Fundamentalismus
Nicht nur im Kontext des rechtspopulistischen politischen Diskurses, son-
dern auch im Kontext der vielfältigen religiös-fundamentalistischen De-
batten werden ideologisch motivierte Identitäts- und Geschlechterkämpfe
geführt, die ein durch die Modernisierungsprozesse überholtes Gesell-
schafts-, Familien-, Frauen- und Männerbild konservieren wollen. Beide
haben Angst vor einer Thematisierung von nicht-heterosexuellen Identi-
täten, Lebensformen und Geschlechtermodellen, die die normative Zwei-
geschlechtlichkeit infrage stellen (vgl. Ammicht Quinn 2017, 179). Aus
dieser Angst entsteht eine aggressive Attacke gegen die Emanzipation der
Frauen (Antifeminismus, Antigenderismus) und gegen sexuelle Minder-
heiten (Homophobie sowie Transphobie, sexueller Nationalismus etc.).
Nach meiner Auffassung bedeutet Fundamentalismus nicht einfach die
Rückkehr zu den Fundamenten einer Religion oder Weltanschauung, son-
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 4:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 4:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 224
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven