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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 2:2
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21 | www.limina-graz.eu Irmtraud Fischer | Das Exodus-Paradigma neswahrnehmungen verweisen in der Bibel nie auf teilnahmslose EindrĂŒ- cke, sondern erzeugen immer Resonanz auf göttlicher Seite.5 Der RĂŒckblick auf das Exodusgeschehen im Volksklagelied von Jes 63,9 stellt nach dem Masoretentext6 sogar einen mitleidenden Gott vor, den die BedrĂ€ngnis des Volkes selbst bedrĂ€ngt. Nach biblischem Zeugnis ist es freilich nicht nur die Not allein, die die Gottheit Israels zum Handeln bewegt, sondern der Ruf der UnterdrĂŒckten nach Rettung. Befreiung wird also durch ein Resonanz- geschehen in Gang gesetzt, nicht durch ein Eingreifen Gottes wie ein deus ex machina. Menschen mĂŒssen sich ihrer HilfsbedĂŒrftigkeit gewahr wer- den und auf göttliche Rettung hoffen, um göttliche Hilfe zu erhalten. In den Klagepsalmen entspricht dieser Zusammenhang der meist ausfĂŒhrlichen Schilderung der Not, die von Bitten um Erhörung gefolgt wird (vgl. z.  B. Ps 22,1–22a). In der ExoduserzĂ€hlung reagiert Gott auf das Klagegeschrei vorerst nicht durch direktes Eingreifen, wie das hĂ€ufig auch in den ErzĂ€hlungen ĂŒber den sogenannten Heiligen Krieg der Fall ist, den Gott fĂŒr das Volk bei Feindes- ĂŒbermacht und Unterlegenheit der eigenen Truppe und deren AusrĂŒstung fĂŒhrt. Zuerst wird jeweils ein Mensch berufen, dem die Leitung des Gesche- hens aufgetragen wird. Mose, der aus dem Wasser Gezogene (Ex 2,10) und vor dem Genozid Gerettete (2,1–9), soll die HerausfĂŒhrung aus Ägypten ĂŒbernehmen. Dies wird in Ex 3 in Form einer prophetischen Berufungser- zĂ€hlung7 kommuniziert, sodass durch die literarisch fest geprĂ€gte Gattung deutlich wird, dass kein selbsternannter Heißsporn die Sklaverei beenden soll, sondern einer mit göttlicher RĂŒckendeckung. Israel soll daran erken- nen, dass sein Gott sich seiner annimmt. Wenn in dem hochkarĂ€tigen Text von Ex 3 Mose beauftragt wird, Israel aus Ägypten zu fĂŒhren, dann tut er dies nicht im Namen irgendeines Gottes, sondern – so will es der biblische Geschichtsaufriss – er ist erstmals in der Lage, den geoffenbarten Eigen- namen dieser Gottheit zu benennen: Es ist JHWH, der Mit-Seiende Gott,8 der bereits den Erzeltern die doppelte Israelverheißung, jene von Volk und Land, gab und der seine ResonanzfĂ€higkeit bereits im sprechenden Namen trĂ€gt. Sowohl fĂŒr das eigene Volk (vgl. Ex 4,1) als auch fĂŒr den Pharao (5,2) braucht Mose eine Legitimierung. Die resonante vertikale Achse zwischen Gott, sei- nem Volk und dessen berufenem Retter braucht, um befreiend wirksam zu werden, auch eine funktionierende horizontale Achse: Mose muss sowohl zum unterdrĂŒckten Volk als auch zu dessen Sklavenhalter eine resonante Beziehung aufbauen, damit sein Auftrag gelingen kann. Um diese horizon- tale Achse zu aktivieren, braucht es einerseits vertrauensbildende Maß- 5 Zu Hören und Sehen als resonan- ten Beziehungsmarkern der Bezie- hung zwischen Gott und dem Men- schen siehe Janowski 2013, 85–97. 6 Das Ketib-Qere in Jes 63,9 hat im- mense Auswirkungen auf das Got- tesverstĂ€ndnis: WĂ€hrend MT einen mitleidenden Gott bezeugt, liest die Septuaginta ketib und negiert damit – in Konsequenz der Überset- zung des Gottesnamens JHWH mit ‚der Seiende‘, der den unbewegten Beweger in die Bibel einspielt – die BedrĂ€ngnis Gottes durch jene des Volkes; siehe dazu ausfĂŒhrlich: Fischer 1989, 6–11. 7 Den Zusammenhang der Legiti- mierung der Sendung mit den Beru- fungserzĂ€hlungen hat Richter 1970 herausgearbeitet. 8 Wie G. Fischer/Markl 2009, 54–57 betonen, lĂ€sst sich aus dem Wort- spiel von Hos 1,9 das VerstĂ€ndnis des Mitseienden bereits biblisch belegen .
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Volume 2:2
Title
Limina
Subtitle
Grazer theologische Perspektiven
Volume
2:2
Editor
Karl Franzens University Graz
Date
2019
Language
German
License
CC BY-NC 4.0
Size
21.4 x 30.1 cm
Pages
267
Categories
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