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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 2:2
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26 | www.limina-graz.eu Irmtraud Fischer | Das Exodus-Paradigma seits verweist der Ruf auf die Notwendigkeit, sich nach einer Befreiung aus welchen Situationen auch immer ein neues Leben einzurichten, das nicht mehr sein kann wie vorher. Jede Befreiung aus ist auch mit Verlusten ver- bunden, nicht nur mit dem Gewinn neuer Möglichkeiten. Meist spielt da- bei auch die hingehaltene Hoffnung eine Rolle und die dadurch genährten Zweifel, ob man denn die richtige Entscheidung getroffen habe: Wann end- lich wird sich das bessere Leben einstellen? Oder war der Aufbruch falsch? Diese entscheidenden Lebensfragen bleiben kaum jemandem erspart, der zu neuen Ufern aufgebrochen ist, sei es durch Migration, sei es durch Ver- änderung der Lebensform, durch Arbeits- oder Partnerwechsel.12 Die Lebenserfahrung lässt Menschen im vorgerückten Alter daher dies- bezüglich vorsichtig sein. Biblisch ist der Themenkomplex in den Tex- ten, die eine Rückkehr aus dem Exil bzw. der Diaspora ansprechen, gut charakterisiert. Diese ging bekanntlich höchst schleppend vor sich, denn die Menschen hatten sich – wie der Brief Jeremias es forderte (vgl. Jer 29, 4–9)  – bereits ein neues Leben eingerichtet. Auch wenn die Rückkehr ins Verheißungsland als neuer Exodus viel glorreicher dargestellt wurde als der Auszug aus Ägypten (vgl. Jes 35; 55,1–3; ausführlicher dazu Fischer 2000) und er mit großen Verheißungen (vgl. Gen 12,1–4) und dem Ausmalen einer goldenen Zukunft (siehe Jes 60–62) verbunden war, überlegten die Menschen offenkundig lange und gründlich, wofür sie bereit wären, ihren wohlerworbenen oder eingefahrenen Lebensstil aufzugeben. Ortlosigkeit und soziale Isolation können schließlich als schlimmer empfunden werden als Leben in beengenden, nur den minimalen Lebensstandard wahrenden Verhältnissen. Freilich ist heute zu fragen, wofür Menschen vor allem für Arbeit migrie- ren. Um einen höheren Lebensstandard zu erreichen, lassen sie ihre Fami- lie und Freunde zurück und man fragt sich bei manchen, wofür der bessere Verdienst dann ausgegeben wird und ob sich das Mehr an Konsumproduk- ten denn mit dem Mangel an Lebensqualität aufheben lässt. Ein früher Pro- phet, der Unfreiheit von Menschen aufgrund von aktuellem Konsumzwang und Werbeterror vorausgesehen hat, war wohl Pier Paolo Pasolini, der ins- besondere in seinen Freibeuterschriften das Demokratie und Freiheit ge- fährdende Potential des Konsumismus diagnostizierte (vgl. Pasolini 1979). Die Wüstenerzählungen thematisieren aber auch die Risiken für jene, die beim Befreiungsprozess führend sind. Die Bündelung der Macht in ganz 12 Selbst bei Befreiungen aus ge- walttätigen Partnerbeziehungen findet sich häufig das Phänomen, dass Frauen wider besseres Erfah- rungswissen zu ihren Männern zu- rückkehren. Jede Befreiung ist auch mit Verlusten verbunden.
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Volume 2:2
Title
Limina
Subtitle
Grazer theologische Perspektiven
Volume
2:2
Editor
Karl Franzens University Graz
Date
2019
Language
German
License
CC BY-NC 4.0
Size
21.4 x 30.1 cm
Pages
267
Categories
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