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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 2:2
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29 | www.limina-graz.eu Irmtraud Fischer | Das Exodus-Paradigma Dauer garantieren wird, noch vor Betreten desselben gegeben werden. Der Offenbarungsberg, der in diesem Erzählzusammenhang so zentral ist, wird in der Folge zur U-Topia, zu einem Ort, der nur mehr im Erinnerungsraum von Relevanz ist, jedoch nicht mehr aufgesucht wird und in seiner Funktion nicht mehr aktualisiert werden kann: Die Tora ist im Land zu halten, nicht an einem Wallfahrtsort. Wenn Elija in 1 Kön 19,1–18 in seiner Erschöpfungs- depression wieder zum Gottesberg gehen will, um dort JHWH zu begegnen, so erlebt er das Gegenteil einer gewaltigen Theophanie, unter deren Bedin- gungen das Gesetz gegeben wurde (V11–13). Gott fragt ihn zuallererst, was er hier zu suchen habe. Im flüsternden Säuseln lässt sich Gott erfahren und schickt seinen Propheten mit neuen Aufgaben wieder dorthin, wo er her- kommt: ins Land zurück (V15f.). Das Land ist damit jener Resonanzraum, in dem der Bund zwischen Gott und Volk als lebendige Beziehung gelebt wird, nicht der liminale Wüs- tenabschnitt mit dem zentralen Offenbarungsberg. Als Gabe Gottes gege- ben, gibt er die Richtlinien vor, unter denen diese Gabe dauerhaft erhalten bleibt, bestimmt aber auch die Ausschlusskriterien für den Fall, dass Israel diesen seinen neuen Lebensstil verlässt (vgl. Dtn 28). Sklaven waren wir: Memoria der Befreiung wider die Scham über die Herkunft Didier Eribon hat in seinem beeindruckenden Buch Rückkehr nach Reims (2016) die soziale Scham beschrieben, die Menschen aus der Arbeiterklasse heute befällt, wenn es ihnen gelungen ist, ihr Herkunftsmilieu zu verlassen und sich in Intellektuellenzirkeln zu beheimaten. Das Outing der bildungs- fremden Herkunft sei schwieriger als jenes in Bezug auf Homosexualität, so seine beklemmende sozialkritische Diagnose. Für jene, die aus dem Bil- dungsmilieu kommen, ist der lebenslänglich zu leistende kontinuierliche Aufwand, sich das anzueignen, was andere von Kind auf ungefragt mitbe- kamen, kaum vorstellbar. Für jene, die sich etablieren konnten, bedeutet das Wissen um den lebenslänglich nicht aufzuholenden Rückstand auch einen kontinuierlichen Balanceakt, die Lücken nicht bloßzulegen. Um nicht von vornherein unter Verdacht zu stehen, dem neuen Milieu nicht zu ent- sprechen, wird daher selbst in unserer aufgeklärten Gesellschaft die Her- kunft aus der Unterschicht verschleiert. Israel versucht dies mit seiner Herkunft gerade nicht.15 Das Grundbekennt- nis, das zentral das Hauptfest Pessach prägt und die berühmte Kinderfrage 15 Durch die Vorschaltung der Genesis vor den pentateuchischen Erzählzusammenhang einer „Mose- Biographie“ wird allerdings die Herkunft aus dem niedrigsten Milieu relativiert, da die Erzeltern ja einmal wohlhabend im Lande lebten und erst durch Migrationsumstände versklavt wurden.
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Volume 2:2
Title
Limina
Subtitle
Grazer theologische Perspektiven
Volume
2:2
Editor
Karl Franzens University Graz
Date
2019
Language
German
License
CC BY-NC 4.0
Size
21.4 x 30.1 cm
Pages
267
Categories
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