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Thomas Söding | Freiheit des Gewissens – Freiheit des Glaubens
um die ethischen Konsequenzen der Rechtfertigungsgnade geht, und zum
anderen zum Abschluss seiner komplexen BegrĂĽndung der Rechtferti-
gungsthese (Röm 3,21–31), da es ihm um die kosmischen Dimensionen der
Erlösung zu tun ist (Röm 8,15–30).
Die Glaubensfreiheit im Dienst der Gerechtigkeit
Paulus muss – oder will – sich im Römerbrief des Vorwurfs erwehren, sei-
ne Gnadentheologie relativiere die Ethik (Röm 6,1.15). Er zeigt im Gegen-
teil, dass die Gerechtigkeit Gottes, der sich die Rechtfertigung der Gläubi-
gen verdankt (Röm 1,16f.), die Gerechtigkeit der Menschen nicht nur for-
dert, sondern auch formt. Um diesen Gedanken zu fassen, baut Paulus den
Gegensatz zwischen Sklaverei und Freiheit auf, von dem die antike Sozial-
geschichte geprägt ist. Ein drittes gibt es nicht. So ist auch der Mensch in
seinem Verhältnis zum Guten und zum Bösen, zum Leben und zum Tod
nicht in einer neutralen Zone, sondern immer schon berufen und entschie-
den. Die Alternative, die sich den Menschen stellt, besteht darin, entweder
„Knechte der Sünde“ zu sein (Röm 6,17) oder Knechte der Gerechtigkeit
(Röm 6,16). Die erste Sklaverei ist der Inbegriff von Unfreiheit, weil sie zum
Tode fĂĽhrt, die zweite der Inbegriff der Freiheit, weil sie Gottesdienst ist
(Schnelle 2016). In zwei paradoxalen Sätzen bringt Paulus diese Dialektik
zum Ausdruck.
Der positive Satz lautet:
„Befreit von der Sünde, dient ihr der Gerechtigkeit“ (Röm 6,18).
Der negative:
„Als ihr Knechte der Sünde wart, wart ihr frei von Gerechtigkeit“ (Röm 6,20).
Beide Sätze passen zusammen. Sünde ist für Paulus nicht nur moralisches
Versagen, sondern eine Unheilsmacht, die sich aus vielen Verletzungen des
Rechtes Gottes wie der Menschen und der ganzen Schöpfung aufbaut, so
dass die Folgen eine tödliche Kraft aufbauen, der niemand sich entziehen
kann, auch wenn sie kein Verhängnis ist, sondern sich durch jedes neue
Fehlverhalten neu aufbaut. Wer unter der Macht der SĂĽnde steht, ist unfrei,
nämlich dem Tod unterworfen, dem sich alle hingeben, die sündigen. In
Röm 7 wird Paulus die Selbstentfremdung des Menschen analysieren, der
„Knechte der Sünde“ oder Knechte der Gerechtigkeit?
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 2:2
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 2:2
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 267
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven