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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 2:2
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Page - 112 - in Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 2:2

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113 | www.limina-graz.eu Reinhold Esterbauer | Zwischen Hoffnung und Gewalt zu leben, es also nicht zu vergeuden oder zu versäumen. Darüber hinaus hat menschliches Dasein aber auch eine Distanz zum Tod, solange er noch nicht eingetreten ist, dennoch aber in die Existenz eingeschrieben bleibt. So ist der eigene Tod nicht nur das Ziel des Lebens, auf das man sich unwei- gerlich zubewegt, sondern auch die nicht abwendbare Forderung, dass das Leben ernst zu nehmen und zu gestalten ist. Das Verhältnis zum eigenen Tod, das in der Konstellation der unterschied- lichen Existentiale sichtbar wird, eröffnet also einen Bereich, der nicht un- wesentlich dadurch gestaltet wird, wie sich jemand zum eigenen Tod ins Verhältnis setzt. Der eigene Tod kann nicht nur herbeigeführt werden  – gewöhnlich wird freilich versucht, ihn hinauszuschieben –, sondern be- einflusst auch die Lebensführung. Solche „Freiheit zum Tode“ (Heidegger 1977, 353; Kursiv. im Orig.) bezeichnet die Möglichkeit, dem eigenen Leben allmählich eine Gestalt zu geben, die sich im Tod als eine bestimmte Form von Ganzheit entpuppt. Unabhängig davon, ob man mit Heidegger den Tod als die letzte Möglichkeit des eigenen Lebens versteht oder mit Emma nuel Levinas als den Augenblick ansieht, ab dem „wir […] nicht mehr können können / nous ne pouvons plus pouvoir“ (Levinas 2003, 47/62), weil einem jede Möglichkeit entzogen worden ist, bleibt das vom menschlichen Dasein untrennbare, weil schon existential vorgegebene Verhältnis zum eigenen Tod der Ursprung von Freiheit. Diese erlaubt es, das Leben zu gestalten, fordert aber auch ein, dies aktiv zu tun. Dadurch, dass der Mensch um die eigene Sterblichkeit weiß, also den eige- nen Tod antizipieren kann, eröffnet sich für ihn Freiheit. Zugleich tut sich durch dieses Verhältnis zum eigenen Tod ein Spielraum für jeden Einzel- nen und jede Einzelne auf, der ein zeitlicher „Spielraum“ ist. Durch die An- tizipation des eigenen Todes wird die unmittelbare Gegenwart, in der man selbst verfangen ist, individuell überschritten. Es entsteht eine Distanz zwischen dem Leben in der Gegenwart und späterer Zeit, die in das gegen- wärtige Leben hineinreicht. Umgekehrt erhält die Gegenwart einen Bezug auf Zukunft. Wesentlich erscheint mir, dass damit nicht nur Lebenszeit eröffnet ist, sondern auch, dass das Verhältnis zur eigenen Lebenszeit ein doppeltes wird. Zum einen befinden wir uns in einer bestimmten Zeit, und zum anderen sind wir „von der Zeit, in der wir uns befinden, zugleich dis- tanziert“ (Picht 2001, 153). Freiheit, die sich zwischen Gegenwart und Tod aufspannt, hat also eine spezifische zeitliche Gestalt: Sie ist einerseits an Gegenwart gebunden, und andererseits weist sie zugleich über diese hin- aus. Anderenfalls wären weder Handlungen noch Entwürfe für die Zukunft möglich. So aber kann die eigene Biografie in Offenheit gestaltet werden.
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Volume 2:2
Title
Limina
Subtitle
Grazer theologische Perspektiven
Volume
2:2
Editor
Karl Franzens University Graz
Date
2019
Language
German
License
CC BY-NC 4.0
Size
21.4 x 30.1 cm
Pages
267
Categories
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